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Straße nach überallhin

Straße nach überallhin

Titel: Straße nach überallhin
Autoren: Roger Zelazny
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machen, was meinen Sie? Irgend jemand erzählte mir mal, der Kreuzzug sei vorüber, und wir hätten gewonnen. Ein anderer meinte, wir hätten verloren. Wie auch immer, ich wäre schön dumm, wenn ich zurückginge – außerdem gefällt es mir hier. Wenn eines Tages mal ein Bischof hier vorbeikommt, dann lasse ich mich von meinem Gelübde erlösen. Mittlerweile läßt man mich hinten im Schuppen schlafen, und der Koch macht mir mein Essen.“ Er blinzelte. „Ich verdiene genügend, um mir jeden Abend in der Schankstube einen Lenz machen zu können. Das schönste Leben, das ich je hatte.
    Sinnlos nach einem Kampf Ausschau zu halten, wenn der Krieg schon vorüber ist – finden Sie nicht auch?“
    Randy schüttelte den Kopf.
    „Sie wissen es auch nicht mit Sicherheit, oder?“
    „Was?“
    „Wer gewonnen hat.“
    „Die Kreuzzüge?“
    Der andere nickte.
    Randy kratzte sich an der Nase.
    „Nun … wenn man meinen Geschichtsbüchern Glauben schenken darf, dann gab es vier große und eine Anzahl unbedeutenderer. Aber wer gewonnen hat, das ist eine Frage, die sich nur schwer beantworten läßt …“
    „So viele!“
    „Ja. Manchmal habt ihr Burschen angegriffen und manchmal die anderen. Alles nur Rache und Intrigen. Verrat … Aber es fand auch ein bedeutender Kulturaustausch statt. Es öffnete den Weg zur Wiederentdeckung der griechischen Philosophen für die westliche Welt. Es …“
    „Zum Teufel mit alledem, Kumpel! In Ihrer Zeit – wer besitzt da das Heilige Land, wir oder sie?“
    „Größtenteils sie …“
    „… Und wie sieht es mit unserem Land aus? Haben wir es oder sie?“
    „Wir, aber …“
    Der alte Soldat kicherte.
    „Dann hat keiner gewonnen.“
    „So einfach ist es auch wieder nicht. Niemand hat wirklich gewonnen oder verloren. Sie müssen das Gesamtbild betrachten. Wissen Sie …“
    „Papperlapapp! Sie können sich von mir aus gern das Gesamtbild betrachten, mein Junge. Mir ist nicht danach, deswegen zurückzugehen und mir mit einem Morgenstern das Gehirn austreiben zu lassen. Soll Louis doch seinen Kreuzzug machen, mit wem er will. Da ist es mir schon viel lieber, hierzubleiben und die Scheinwerfer Ihres Teufelswagens zu polieren und zu wissen, daß niemand gewonnen hat.“
    „Schon klar, ich kann Ihren Standpunkt verstehen, auch wenn es Ihnen ein wenig an historischem Verständnis mangelt. Aber es ist nicht recht zu sagen …“
    „Verdammt recht! Und wenn Sie Glück haben, dann kommt weiter oben an der Straße wieder jemand und tut Ihnen denselben Gefallen. Dem können Sie dann meinetwegen etwas von historischem Verständnis erzählen.“ Er schnippte die Münze in die Luft und fing sie wieder auf. „Und nicht den Glauben verlieren, Junge.“ Mit diesen Worten schlurfte er weiter.
    Nickend erspähte Randy ein paar von Leilas Zigarren.
    „Interessant …“ murmelte er.
    Auf dem Rücksitz begann Leaves leise zu summen. „Bist du wegen etwas unglücklich?“ fragte sie dann.
    „Vielleicht. Ich weiß es nicht. Weshalb fragst du?“
    „Ich habe deinen Herzschlag überprüft, deinen Metabolismus und deinen Blutdruck. Alles scheint ein wenig erhöht zu sein, deshalb.“
    „Vor dir kann man nicht viel verbergen, was? Ich dachte gerade darüber nach, daß die Leiden eines Kreuzzugs – oder eine unglückliche Liebesgeschichte – nichts als winzige Augenblicke der geologischen Zeit sind.“
    „Stimmt. Aber da du weder ein Stein noch ein Gletscher bist – was spielt das schon für eine Rolle für dich?“ Dann fuhr sie fort: „Hattest du zuvor eine solche Affäre?“
    „So könnte man es auch nennen, ja.“
    „Traurig. Oder auch nicht, wie man’s nimmt. Du …“
    „Nicht“, sagte er. „Eigentlich nicht. Es war etwas, das einfach nicht mehr andauern konnte. Trotzdem bleibt das Gefühl des Verlustes … Warum erzähle ich dir das alles?“
    „Jeder findet jemanden, dem er solche Dinge anvertrauen kann. Zu solchen Zeiten mußt du vorsichtig sein. Nach einem Verlust hat man öfter das Bedürfnis, die entstandene Lücke mit etwas Neuem zu füllen. Man entscheidet sich hastig und ohne zu überlegen. Man …“
    „Da kommt Leila wieder“, sagte Randy.
    „Oh.“
    Danach herrschte Stille.
    Randy paffte die Zigarre. Er betrachtete die Wolken, die sich in der Motorhaube spiegelten. Schließlich fiel ihm das kunterbunte Durcheinander der verschiedensten Fahrzeuge auf, die rings um ihn her standen wie in einem Fahrzeugmuseum.
    „Ich merke nichts von ihrer Annäherung“, meldete sich
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