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Straße nach überallhin

Straße nach überallhin

Titel: Straße nach überallhin
Autoren: Roger Zelazny
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atmen können.“
    Red sah zum Fenster hinaus. Leila öffnete die Flasche. Johnsons Schritte verklangen im Korridor.
    „Was zu trinken, Red?“
    „Na schön.“
    Er wandte sich um und ging zu ihr. Sie reichte ihm den Kelch.
    „Auf dein Wohl“, sagte er nippend.
    Sie kicherte und trank aus der Flasche.
    „He, das ist aber ganz und gar nicht damenhaft“, sagte er. „Ich bitte dich.“
    Sie lachte.
    „Vergiß es. Hauptsache, es schmeckt. Auf deine Gesundheit. Wie sieht’s überhaupt damit aus?“
    „Mit dem Alkohol oder mit meiner Gesundheit?“
    „Mit beidem.“
    „War schon besser, war aber auch schon schlechter. Wie man’s nimmt. Was treibst du hier, Leila?“
    Sie zuckte die Achseln.
    „Trinken. Ein paar Tricks ausprobieren. Und was treibst du? Fährst du immer noch die Straße rauf und runter, um nach der unbeschilderten Ausfahrt zu suchen – oder willst du eine neue öffnen?“
    „Mehr oder weniger. Lange Zeit glaubte ich, du hättest möglicherweise den Weg gefunden und ihn passiert. Dich nun hier zu treffen ist – wie soll ich sagen? – desillusionierend.“
    „Ich habe Talent, diesen Effekt hervorzurufen“, meinte sie. „Oder etwa nicht?“
    Er nahm eine Zigarre aus seiner Jackentasche, ging zu der Kerze und zündete sie an.
    „Hast du noch eine übrig?“
    „Ja.“
    Er gab ihr die Zigarre, zündete eine zweite für sich an.
    „Warum machst du das?“ fragte er.
    Rauch kräuselte sich über ihrem Kopf.
    „Was?“
    „Herumgammeln“, sagte er. „Hier deine Zeit vergeuden, wo du auch suchen könntest.“
    „Da du mich fragst“, sagte sie, und nahm noch einen Schluck, „will ich es dir auch sagen. Ich habe die ganze verdammte Straße befahren, vom Neolithikum bis zum J dreißig. Ich bin jeder Seitenstraße, jedem Trampelpfad und jedem noch so kleinen Weg gefolgt. Man kennt mich inzwischen in tausend Ländern unter tausend Namen. Aber das, was wir suchen, habe ich bisher noch nicht gefunden.“
    „Warst du nie nahe dran? Hast du nie die Gegenwart gespürt?“
    Sie erschauerte.
    „Ich habe manches Mal eine Gegenwart gespürt – einige davon waren sehr ähnlich, wieder andere einfach unvergeßlich – aber es war nie die richtige. Nein. Ich kann nur zu dem Schluß kommen, daß der Ort, den ich suchte, nicht mehr existiert.“
    „Alles existiert irgendwo.“
    „Aber du kannst es von hier nicht erreichen.“
    „Das will ich nicht glauben.“
    „Dann sag mir eines: Lohnt es sich wirklich? Lohnt es sich, ein Leben mit der Suche zu vergeuden, wenn man zu allen Zeiten und an allen Orten leben kann, die das Herz begehrt? Wenn man tun und lassen kann was man will?“
    „Zum Beispiel Tricks probieren, sich bis zur Bewußtlosigkeit vollaufen lassen und Betten anzünden?“
    Sie blies einen Rauchring in die Luft.
    „Ich betreibe dieses Herumgammeln – wie du es nennst -nun schon seit mehr als einem Jahr. Und mit jedem Tag fällt es mir leichter. Die Resultate sind dieselben. Ich habe meine Energien aufgebraucht. Ich bin von Natur aus nachlässig. Es macht Spaß, sich einfach so gehenzulassen. Warum gesellst du dich nicht zu mir? Trotz all deiner Bemühungen kannst du auch nichts vorzeigen. Wir könnten einander zumindest gegenseitig unterstützen.“
    „Das widerspricht meiner Natur“, sagte er, als die Diener mit einer neuen Flasche, einer Matratze und einem Bett hereinkamen.
    Sie rauchten stumm und sahen den Männern bei der Arbeit zu. Nachdem sie wieder gegangen waren, sagte sie: „Viel Geld zu haben und das meiste zu verschlafen, das ist das Beste im Leben.“
    „Mich interessieren auch die Dinge dazwischen“, sagte er.
    „Und was hat dir das eingebracht?“ fragte sie und stand auf. „Es hat dich zum Todeskandidaten gemacht, mehr nicht.“
    Sie ging zum Fenster und sah hinaus.
    „Was meinst du damit?“ fragte er schließlich.
    „Nichts.“
    „Hörte sich aber verdammt danach an. Komm schon, was hast du gesehen?“
    „Ich habe nicht gesagt, daß ich etwas gesehen habe.“ Sie drehte sich zu ihm um. „Wir haben ein neues Bett. Probieren wir’s aus.“
    „Versuch nicht, mich abzulenken. Ich weiß, du bist besser im Bilde als ich. Sag’s mir.“
    Sie lehnte sich gegen den Sims und trank einen großen Schluck.
    „Und geh weg vom Fenster. Du könntest hinausfallen.“
    „Immer der große Bruder“, maulte sie, gehorchte aber und setzte sich auf das Bett.
    Sie stellte die Flasche auf den Boden und sog an ihrer Zigarre. Dichte Rauchwolken stiegen auf, in denen sich ihr
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