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Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde
Autoren: Jaclyn Reding
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Prolog
    Chu do dhuin doras nach d’fhosgail doras.
    Keine Tür schließt sich ganz, wenn sich nicht eine andere öffnet.
    Das Leben, das sie gekannt hatte, war zu Ende. Es geschah am Morgen des 20. September 1820 -und sie hatte es nicht kommen sehen.
    Lady Eleanor Wycliff - Erbin des Dukes of Westover, des Herrn über das glanzvollste Herzogtum von ganz England - war wie die meisten vornehmen jungen englischen Ladys erzogen worden. Ihre Tage waren erfüllt gewesen mit Behaglichkeit und Komfort und man erwartete nichts von ihr außer ordentlich zu sticken und ein höfliches Benehmen und angenehme Manieren.
    Schon bevor sie Miss Effingtons erlesenes Institut für höhere Töchter besuchte, hatte man ihr eingeschärft, dass ihr einziger Ehrgeiz im Leben sein musste, sich gut zu verheiraten, eine zuvorkommende Gastgeberin zu sein und ihrem noch unbekannten zukünftigen Ehemann einen männlichen Erben zu schenken.
    Setzen Sie sich aufrecht hin, Miss.
    Sie müssen schreiten, nicht marschieren.
    Halten Sie Ihre Finger so, wenn Sie Tee einschenken.
    Unerlässliche Ermahnungen, die ihr von verschiedenen älteren Damen zugeflüstert wurden,
    Worte, die jeder Lady zwischen zwölf und zweiundzwanzig Jahren die Angst einjagten, allein zu enden wie die Schwester von Soundso oder die Nichte von Lady Wie-auch-immer, eben wie die gesellschaftlich Ausgestoßenen, die bekannt waren als -
    - alte Jungfern.
    Schauerlich.
    Allerdings hatte Eleanor bei alldem bemerkenswerte Fortschritte gemacht.
    Anders als diese armen jungen Mädchen, deren Ehen manchmal arrangiert wurden und die ihren Bräutigam nur sahen, wenn sie miteinander bekannt gemacht wurden (so war es ihrer besten Schulfreundin Lady Amelia Barrington ergangen, die vor zwei Jahren dem liebsten Whist-Partner ihres Vaters zur Frau gegeben worden war), hatte Eleanor seit ihrem vierten Lebensjahr immer wieder gehört, dass sie eines Tages Gelegenheit haben würde, ihren lebenslangen Gefährten selbst zu wählen.
    Sie hatte ihren Teil während der ersten Saison in der Gesellschaft getan, einen Mann gesucht und gefunden, mit dem sie etliche Interessen teilte, der sie freundlich behandelte und der ihr ein Heim und denselben Komfort bieten konnte, an den sie gewöhnt war.
    Richard Hartley, der dritte Earl of Herrick, war gut aussehend, höflich und in der guten Gesellschaft hoch angesehen. Er beschäftigte sich gern mit Büchern und hatte ein Ohr für Musik wie Eleanor auch. Er korrigierte sie nicht, wenn sie ein Wort anders aussprach als er, und er hörte zu, hörte wirklich zu, wenn sie etwas zu sagen hatte. Sie würden gut miteinander auskommen, und das Beste von allem war, dass Richards Landhaus, Herrick Manor, nur zwei Meilen vom herzoglichen Westover-Besitz in Wiltshire entfernt war -deshalb war Richard in Eleanors Augen die vernünftigste Wahl.
    Wie komisch das Leben ist, hatte sie damals gedacht, als das Schicksal sie im fernen London zusammengebracht hatte, obwohl ihre Familien schon seit Generationen Nachbarn waren. Eleonor hatte das einfach als einen weiteren Grund dafür gewertet, dass sie ihr Leben zusammen verbringen sollten.
    Aber Christian schien dieser Logik nicht zu folgen.
    Christian Wycliffe, Marquess Knighton, Eleanors älterer Bruder und seit dem Tod des Vaters vor zwei Jahrzehnten Familienoberhaupt, war von Anfang an gegen diese Verbindung gewesen. Aber er versicherte ihr, dass er lediglich Angst hätte, sie würde sich zu früh festlegen, hätte sich zu schnell entschieden, denn schließlich war dies erst ihre erste Saison in der Gesellschaft.
    »Lass dir Zeit, Nell«, hatte Christian gesagt, als sie zum ersten Mal erwähnte, dass Richard sein Schwager werden könnte. »Es besteht keine Notwendigkeit, dass du dich kopfüber in etwas stürzt.«
    Aber Eleanor neigte dazu, sich kopfüber in irgendetwas zu stürzen wie damals, als sie entschieden hatte, dass sie lieber nicht mit dem Kindermädchen zu Hause bleiben wollte, während ihre
    Mutter und Christian zu einem Ball gingen. Mit all dem unsinnigen Mut einer Siebenjährigen hatte sie sich in den schmalen Spalt hinter den Sitzen in der Knighton-Kutsche gezwängt und geglaubt, dass ihrer Mutter nach der Ankunft gar nichts anderes übrig bleiben würde, als sie mit auf den Ball zu nehmen. Allerdings hatte Eleanor nicht bedacht, dass es, nachdem sie sich in das Versteck gedrückt und während der Fahrt ordentlich durchgerüttelt worden war, nicht so leicht sein würde, wieder herauszukommen. Das Resultat dieser
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