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Stirb ewig

Titel: Stirb ewig
Autoren: Peter James
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gut roch.
    Er schaute im Dämmerlicht des Armaturenbretts und der Rücklichter vor ihm in den Spiegel, ohne zu wissen, was genau er dort zu sehen erwartete. Es war Traurigkeit.
    Du musst weiterleben.
    Er trank einen Schluck Wasser.
    In zwei Monaten wurde er neununddreißig. Und noch ein anderer Jahrestag rückte damit drohend näher. Am 26. Juli wäre Sandy zehn Jahre verschwunden. Spurlos, an seinem neunundzwanzigsten Geburtstag. Ohne Brief. Alles, was ihr gehörte, war noch im Haus, alles, bis auf ihre Handtasche.
    Nach sieben Jahren konnte man jemanden offiziell für tot erklären lassen. Alle hatten ihm dazu geraten – seine Mutter im Hospiz, wenige Tage bevor sie an Krebs starb; seine Schwester, seine engsten Freunde, sein Seelenklempner.
    Undenkbar.
    John Lennon hatte einmal gesagt: Leben ist, was geschieht, wenn du gerade etwas ganz anderes vorhast. Und damit hatte er verdammt Recht.
    Er war immer davon ausgegangen, dass er mit neununddreißig eine Familie haben würde. Er hatte von drei Kindern geträumt, am liebsten zwei Jungs und ein Mädchen, und am Wochenende würde er ganz viel mit ihnen unternehmen. Familienurlaub. Ausflüge zum Strand oder in Vergnügungsparks wie Alton Towers. Ballspiele. Reparaturen. Die Kinder baden. Ihnen später bei den Hausaufgaben helfen. All die gemütlichen Dinge, die er mit seinen Eltern gemacht hatte. Stattdessen nagte eine innere Unruhe an ihm, die nur selten von ihm abließ, selbst wenn sie ihn nicht am Schlafen hinderte. War sie lebendig oder tot? Er hatte sieben Jahre und zehn Monate nach ihr gesucht und war der Wahrheit keinen Schritt näher gekommen.
    Sein Leben jenseits der Arbeit war leer. Er konnte oder wollte bislang keine neue Beziehung beginnen. Alle Verabredungen waren katastrophal geendet. Manchmal kam es ihm vor, als wäre sein Goldfisch Marion sein einziger echter Gefährte. Er hatte den Fisch vor neun Jahren an einer Kirmesschießbude gewonnen, und dieser hatte bislang sämtliche Gefährten aufgefressen, die Roy in sein Aquarium setzte. Marion war ein mürrisches, unsoziales Geschöpf. Vermutlich mochten sie einander deshalb. Sie waren sich ähnlich geworden.
    Manchmal wünschte er sich, er hätte einen anderen Beruf, in dem er pünktlich um fünf Uhr Schluss machen, ins Pub und dann nach Hause gehen konnte, um vor dem Fernseher die Füße hochzulegen. Ein normales Leben. Doch er konnte nicht anders. Er besaß eine angeborene Sturheit, die schon seinen Vater geprägt hatte, und sie trieb ihn dazu, ruhelos Fakten zu prüfen und nach der Wahrheit zu suchen. Diese angeborene Sturheit hatte ihn nach oben gebracht, sodass er relativ früh zum Detective Superintendent befördert worden war. Seinen Seelenfrieden hatte er dabei nicht gefunden.
    Sein Gesicht schaute ihn aus dem Spiegel an. Er schnitt sich selbst eine Grimasse, seiner platten, schiefen Nase, die er sich bei einer Prügelei gebrochen hatte und die ihm das Aussehen eines Preisboxers verlieh.
    Sandy hatte bei der ersten Verabredung gesagt, er habe Augen wie Paul Newman, das hatte ihm unheimlich gefallen. Es war eines von einer Million Dingen, die er an ihr mochte. Wie die Tatsache, dass sie alles an ihm bedingungslos geliebt hatte.
    Roy Grace wusste, dass er nicht besonders eindrucksvoll aussah. Mit eins siebenundsiebzig lag er kaum über der für die Polizei vorgeschriebenen Mindestgröße. Doch obwohl er gerne trank und beim Rauchen immer wieder rückfällig wurde, hatte er durch hartes Training im polizeieigenen Fitnessstudio einen kraftvollen Körper entwickelt und hielt sich in Form. Er lief dreißig Kilometer in der Woche und spielte gelegentlich noch Rugby – meist als Außendreiviertel.
    Zwanzig nach neun.
    Verdammte Scheiße.
    Er wollte wirklich nicht lange wegbleiben. Das konnte er sich nicht leisten. Auf keinen Fall. Morgen musste er vor Gericht erscheinen und brauchte seinen Schlaf. Der Gedanke an das bevorstehende Kreuzverhör bereitete ihm Unbehagen. Für die Anklage auszusagen, war anstrengend genug. Dass die Verteidigung mit einer Vorladung drohte, war noch viel schlimmer. Er wusste nicht genau, worum es ging, hatte aber so eine Vorahnung.
    Plötzlich breitete sich von oben her ein Lichtkegel aus, und er hörte das Knattern eines Hubschraubers. Dann bewegte sich das Licht nach vorn, und er sah die Lichter des landenden Helikopters.
    Er wählte auf dem Handy eine Nummer.
    »Hallo, hier Detective Superintendent Grace. Ich stecke im Stau auf der A26 südlich von Crowborough, scheint ein
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