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Der Sokrates-Club

Der Sokrates-Club

Titel: Der Sokrates-Club
Autoren: Nathalie Weidenfeld , Julian Nida-Ruemelin
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Vorwort
    Von den Autoren dieses Buches ist die eine Mutter von zwei Töchtern, Schriftstellerin und Dozentin für Filmtheorie, der andere Vater von zwei Töchtern, Philosoph und zeitweise Kulturpolitiker. Wie alle Eltern aufgeweckter Kinder wurden sie immer wieder mit philosophischen Fragen konfrontiert, zum Beispiel: Was ist gerecht oder was heißt es, etwas zu wissen? Da entschlossen sie sich, den Stier bei den Hörnern zu packen und einen » Sokrates-Club« einzurichten. In regelmäßigen Abständen traf sich ein kleiner Kreis von Kindern im Haus der Familie, in wechselnder Zusammensetzung, um gemeinsam zu philosophieren. Das philosophische Gespräch wurde schließlich auf Schulen, ja sogar auf öffentliche Veranstaltungen ausgeweitet. Überall gibt es zahlreiche Kinder, die sich Gedanken machen über Themen, die die Philosophie teilweise schon seit Jahrtausenden beschäftigen– ohne dass den Kindern bewusst ist, dass es sich um philosophische Fragen handelt. In diesen Begegnungen haben alle etwas gelernt, auch die Erwachsenen: Wie kann man eine Frage so formulieren, dass sie klar ist? Welche Meinungen widersprechen sich? Welche Rolle spielt die eigene, kindliche Lebenserfahrung? Abschließende Antworten wurden dagegen selten gegeben– das war auch nicht das Ziel dieser Gespräche. Theorie spielte eine Rolle, aber es war nicht unsere Absicht, verfrüht philosophische Positionen zu lehren. Kenntnisse der Philosophie hingegen waren hilfreich.
    Hier setzt dieses Buch an. Ausgehend von den Fragestellungen der Kinder lassen wir uns auf ein philosophisches Gespräch ein. Sokrates steht insofern Pate, als er – nach all dem, was wir wissen – nicht einfach Wissen vermitteln, sondern seine Schüler dazu bringen wollte, ihre Meinungen zu hinterfragen und zu einem eigenen, besser begründeten Urteil zu gelangen. Platon schreibt Sokrates die Überzeugung zu, dass er wie eine Hebamme (Sokrates’ Mutter war Hebamme) schon Angelegtes ans Licht holt, Wissen, das im Grunde schon vorhanden ist, bewusst macht. Dass Platon selbst meinte, dass die Philosophie, so wie er sie verstand, erst am Ende eines langen Ausbildungsweges möglich ist, den nur wenige gehen können, steht auf einem anderen Blatt.
    Kinder können zweifellos logisch denken. Im philosophischen Gespräch mit den Erwachsenen wird ihnen klar, welche Überzeugungen zueinander passen, logisch verträglich sind, und welche sich zwingend aus anderen Überzeugungen entwickeln und ableiten lassen. Philosophie ist keine Weltanschauungslehre, sondern eine Schule klaren Denkens. Der Beginn jeder Klärung ist das Verwirrende, das Erstaunliche, das Unerwartete. Kinder sind häufiger verwirrt, staunend, verdutzt– das haben sie den Erwachsenen voraus. In dieser Hinsicht sind sie die idealen Partner für das philosophische Gespräch.
    Dieses Buch ist ein Gemeinschaftswerk. Es beruht auf zahlreichen Gesprächen mit Kindern– ist insofern eine Art Extrakt–, aber auch auf alltäglichen elterlichen und schulischen Erfahrungen, und es stützt sich auf eine jahrelange philosophische Lehrpraxis innerhalb und außerhalb der Universität. Die Idee zu diesem Buch hatte Nathalie Weidenfeld. Die Gespräche führte Julian Nida-Rümelin. Protokolliert und ausgewertet wurden sie von Nathalie Weidenfeld. Die Dialoge geben das wieder, was tatsächlich gesagt wurde, allerdings in geraffter Form. Die den Gesprächen folgenden philosophischen Teile sind von Julian Nida-Rümelin. Die Zeichnungen stammen von Nina Gottschling, einer vielseitig begabten Schülerin, die– als die Arbeit am Buch begann– 1 5 Jahre alt war.
    Die Umstände der philosophischen Gespräche waren unterschiedlich. Es begegneten sich Kinder, die sich untereinander nicht kannten, wie bei einer Vorlesung mit Diskussion im Rahmen der Initiative » Kinder-Uni« an der Ludwig-Maximilians-Universität (hier nicht dokumentiert) oder auf einem Volksfest in München (Kapitel 4). Es wurden Gespräche mit einer oder mehreren Klassen einer Grundschule geführt (Kapitel 3 / 5 / 6 / 8), aber es fanden auch Begegnungen zu Hause, mit Freunden unserer Töchter statt (Kapitel 7). Diese Umstände machen sich auch inhaltlich bemerkbar. Je anonymer und größer die Runde, desto zurückhaltender sind die meisten Kinder, je intimer und kleiner, desto offener und persönlicher werden die Gespräche. Es erstaunte uns immer wieder, wie groß die Unterschiede unter Gleichaltrigen sind. Da gibt es diejenigen, die ihre eigene Lebenswelt kaum
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