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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Autoren: Peter Freudenberger
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zu. Man kannte sich von der gemeinsamen Benutzung der Fähre. Oder man traf sich im Ort, grüßte, ohne dabei weitere Worte zu wechseln. Die Wohnung der Familie nahe dem Lebensmittelmarkt war zudem prädestiniert dafür, dass man zahlreichen Bewohnern des Ortes begegnete.
    Es ertönte das Signal, das die Abfahrt der Fähre ankündigte und in das sich der etwas andere Ton der Warnung mischte, mit dem das Herabsenken der Schranke auf Land begleitet wurde.
    Mit einem leichten Ruck setzte sich die Schwebefähre fast lautlos in Betrieb und überquerte den Kanal, der mit etwa einhundert Metern Breite hier die engste Stelle seines gesamten Verlaufs aufwies. Große Schiffe konnten sich hier nicht begegnen.
    Tsakalidis zog den Kopf zwischen den Schulterblättern ein. Mit zusammengekniffenen Augen sah er nach links, wo hell erleuchtet die Kais des Rendsburger Kreishafens lagen und im Scheinwerferlicht Kräne die Ladung von kleineren Frachtschiffen löschten. Durch den Regenschleier hoben sich gegen die Lichtkuppel Rendsburgs, die sich schwach vor dem dunklen Himmel abzeichnete, die hohen Silos der Getreide AG ab.
    Er sah nicht nach oben. Wenn der Wind die Geräusche nicht davontrieb, konnte man manchmal das Rumpeln der Züge hören, die vierzig Meter höher auf dem metallenen Viadukt den Kanal überquerten.
    Die Uferbeleuchtung des Kanals deutete die Konturen des Schifffahrtsweges an, der, heute kaum wahrnehmbar, nach etwa zwei Kilometern einen sanften Bogen nach links machte, um nach weiteren sechzig Kilometern an den Schleusen in Brunsbüttel in die Elbe zu münden.
    Tsakalidis warf einen Blick in Richtung des südlichen Ufers. Unwillkürlich blieb er bei einer Welle haften, die die Fähre hinter sich herzog. Es sah aus wie ein Schiff, das das Wasser teilte. Zunächst schenkte er dem Phänomen keine Aufmerksamkeit, bis sein Auge erneut darauf fiel. Das konnte nicht sein. Die Schwebefähre war kein Wasserfahrzeug und konnte auf der Kanaloberfläche keine Bewegung erzeugen. Neugierig machte er ein paar Schritte bis zur hinteren Schranke und blinzelte ins Wasser. Tatsächlich. Die Fähre zog ein Seil hinter sich her. Er folgte dem Tau bis ans Ende.
    Es war, als hätte ihn der Schlag getroffen. Trotz der fast alles verschlingenden Dunkelheit waren die Konturen eines Menschen ersichtlich. Tsakalidis rieb sich die Augen. Nein! Das Bild verschwand nicht. Die Schwebefähre zog einen Körper hinter sich her, der mit einem Seil an dem Fahrzeug befestigt war.
    In diesem Moment verringerte sich unmerklich das Tempo der Fähre, und kurz darauf stieß sie mit einem leichten Ruck ans Ufer. Automatisch hakte sich der Haken des Schwebepontons an der Halterung an Land ein und verriegelte sich.
    Das gelbe Blinklicht ging an, die Schranke wurde geöffnet, und die Ampel sprang von Rot auf Grün und gab die Ausfahrt frei.
    Noch einmal beugte sich Tsakalidis über den rot-weißen Balken auf der Wasserseite. Jetzt war nichts mehr zu sehen.
    Er zitterte vor Aufregung. Es waren nicht das unwirtliche Wetter, Wind und Regen, die ihn frösteln ließen. Er versuchte, dem Maschinisten, der hoch oben über Deck in seinem achteckigen Fahrstand saß, ein Zeichen zu geben. Aber der Mann sah ihn nicht, sondern konzentrierte sich auf die Entladung.
    Tsakalidis überquerte das Deck und stieg beherzt die steile Leiter zur Brücke empor. Mit beiden Händen klammerte er sich am Geländer fest und achtete darauf, dass er auf den regennassen Sprossen nicht abrutschte. Endlich hatte er das kleine Brückendeck erreicht und klopfte an die Tür. Der Schwebefährenführer zuckte zusammen und erschrak. Fast böse kam er zur Tür und öffnete sie.
    »Das Betreten ist streng verboten –«, begann er, wurde aber von Tsakalidis mit einer Handbewegung unterbrochen.
    »Da hängt einer am Seil hinter der Fähre«, stammelte der Grieche.
    »Wo?«, fragte der Mann von der Besatzung und schob gleich hinterher: »Das kann nicht sein.«
    »Doch, ich bin mir ziemlich sicher.«
    »Ganz bestimmt?«, fragte der Maschinist.
    Tsakalidis nickte heftig. »Ich bin mir ziemlich sicher. So sehr kann ich mich nicht täuschen.«
    Der Mann von der Fähre griff sich seine wetterfeste Jacke, schnappte sich eine Taschenlampe und folgte Tsakalidis auf das Brückendeck.
    »Rückwärts runter«, rief er Tsakalidis zu, der unsicher an der steilen Leiter stand, sich krampfhaft an die Holme klammerte und vorsichtig die glitschigen Stufen hinabtastete. Er folgte dem Fährmann, der über den Anleger zu dem
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