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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Autoren: Peter Freudenberger
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hochgeschlagenem Kragen und Schirmmütze. Er musterte Lüder, nickte kurz und kam ihm entgegen.
    »Sind Sie aus Kiel?«
    Lüder reichte ihm die Hand. »Lüders.«
    »Thomsen.« Es war ein kräftiger Händedruck.
    Der Betriebsleiter der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung trug eine Warnweste in leuchtendem Rot-Orange. Er hatte sich in dem kleinen Wartehäuschen untergestellt, dessen Baustil deutlich die Herkunft aus den Anfängen des Fährbetriebs bekundete.
    »Schietwetter«, sagte Thomsen. »Und dann so was.«
    »Straftäter nehmen selten Rücksicht auf das Wetter«, erwiderte Lüder und suchte ebenfalls in dem kleinen Wartesaal Schutz vor dem Regen.
    Schweigend warteten sie, bis die Fähre heranschwebte, andockte und ihre Last entladen war.
    »Erzählen Sie mir etwas über die Fähre«, bat Lüder. Er wollte sich ein umfassendes Bild machen und verstehen, warum sich der oder die Täter diesen Ort ausgesucht hatten.
    »Die Schwebefähre ist rechtlich kein Schiff, sondern eine Art ›Seilbahn‹. Deshalb muss der Schwebefährenführer«, Thomsen schmunzelte, »er heißt wirklich so, im Unterschied zu den anderen dreizehn Fähren am Kanal, kein nautisches Patent haben. Außerdem betreiben wir die Schwebefähre im Ein-Mann-Betrieb. Bis auf die Fähre in Breiholz haben alle anderen Fähren eine Zwei-Mann-Besatzung, neben dem Schiffsführer noch den Decksmann. Das ist vorgeschrieben, damit die Fähren auch bei Rettungseinsätzen eingesetzt werden können. Erst vor Kurzem gab es eine spektakuläre Aktion bei der Havarie mit dem polnischen Frachter.«
    »Das ist kostspielig«, warf Lüder ein.
    »Ja«, stimmte Thomsen zu. »Weil der Kanal aber eine Bundeswasserstraße ist, werden die etwa fünf Millionen Menschen pro Jahr kostenlos befördert.«
    »Fünf Millionen? In Rendsburg?«, staunte Lüder.
    Thomsen lachte. »Nein, insgesamt. Diese hier dient hauptsächlich der Schülerbeförderung, den Fußgängern und ist natürlich eine touristische Attraktion. Der Autotransport spielt eine untergeordnete Rolle.«
    Jetzt hat die Fähre eine weitere Funktion erhalten, dachte Lüder. Sie ist als Mordwerkzeug missbraucht worden.
    »Gibt es einen Vierundzwanzig-Stunden-Betrieb?«, fragte Lüder.
    »Nein. Die Fähre nimmt um fünf Uhr früh vom südlichen Ufer aus, also hier von Osterrönfeld, den Betrieb auf. Sie fährt bis dreiundzwanzig Uhr, ab November im Winterbetrieb nur bis zweiundzwanzig Uhr, alle Viertelstunde nach Fahrplan, der natürlich abweichen kann, abhängig vom Verkehr auf dem Kanal. Wenn dort ein dicker Pott entlangläuft, muss die Fähre darauf Rücksicht nehmen und warten.«
    Dann ist das Opfer nach zweiundzwanzig Uhr und vor fünf Uhr angebunden worden, überlegte Lüder. Die Tatausführung war in diesem Fall eine ganz andere, trotzdem gab es Parallelen zu dem grauenvollen Mord am Husumer Verkehrspolizisten Jörg Asmussen, den die Täter von einer Brücke bis kurz über die Gleise herabgelassen hatten, wo er vom ersten Zug überfahren wurde.
    Lüder sah in die Höhe. Dort oben, genau über ihrem jetzigen Standort, hatte er Kummerow gejagt, der über die Hochbrücke flüchten wollte und dabei übersehen hatte, dass das zweite Gleis wegen Bauarbeiten gesperrt war. Während der Kindermörder abgestürzt und nur wenige Meter von Lüders jetzigem Standort aufgeprallt war, hatte Lüder sich in letzter Sekunde vor einem vorbeifahrenden Zug retten können.
    Er verdrängte diesen Gedanken und fragte Thomsen: »Wie funktioniert die Schwebefähre?«
    Sie hatten den Unterschlupf verlassen und waren auf die Fähre getreten, die sich kurz darauf in Bewegung setzte.
    Der Mann vom Wasser- und Schifffahrtsamt zeigte auf die Anlage. »Die Fährbühne, wir nennen sie auch Gondel, hat ein Eigengewicht von fünfundvierzig Tonnen. Sie hängt an den Seilen da oben«, er zeigte in die Höhe, »an der Stahlkonstruktion, die u-förmig ist und mit insgesamt acht Rädern auf zwei Schienen läuft, die beidseitig des Brückenträgers angebracht sind. Insgesamt vier Elektromotoren sorgen für den Antrieb jedes zweiten Rades.«
    Die Anlage war nicht umsonst ein technisches Meisterwerk, ein Magnet für zahlreiche Besucher Rendsburgs. Warum hatten sich die Täter ausgerechnet diesen Ort ausgesucht? Was wollten sie damit bekunden?, fragte sich Lüder. Die Art der Tatausführung sollte möglicherweise ein Hinweis sein. Eine Warnung? Ein Zeichen?
    In der Zwischenzeit hatten sie den Kanal überquert und waren auf der Rendsburger Seite
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