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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Autoren: Peter Freudenberger
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Dachschrägenfenster getrommelt. Es war eine stürmische Nacht gewesen.
    Georgios Tsakalidis hatte keine Ruhe gefunden, und als er schließlich doch in einen unruhigen Schlaf gefallen war, hatte ihn der Wecker aus Morpheus' Armen gerissen. Daphne, seine Ehefrau, hatte nur kurz die Augen geöffnet und »Sei vorsichtig« gemurmelt, bevor sie sich auf die andere Seite gedreht und die Bettdecke über den Kopf gezogen hatte.
    Tsakalidis war das frühe Aufstehen gewohnt, auch wenn es ihm nach einer Nacht wie dieser schwerfiel. Er hatte Kaffee gekocht, stark und süß, eine Tasse getrunken und den Rest in die Thermoskanne eingefüllt. Die Plastikdose mit dem Brot und die zweite mit dem Salat lagen schon griffbereit im Kühlschrank. Nach dem Bad und dem Ankleiden hatte er eine Zigarette am Küchentisch geraucht und anschließend sein Fahrrad aus dem Schuppen geholt. Das klappernde Brett, so nahm er sich vor, würde er heute nach Dienstschluss befestigen.
    Es war kurz vor fünf Uhr früh, als er sich aufs Fahrrad schwang und die menschenleere Fährstraße entlangradelte. Wütend zerrte der Wind an seiner Kleidung, der Regen peitschte ihm ins Gesicht. Nur mühsam kam er voran. Wie gut, dachte Tsakalidis, dass er den Plastikumhang angelegt hatte. Sonst wäre er völlig durchnässt an seinem Arbeitsplatz angekommen.
    Seit sechsundzwanzig Jahren war Georgios Tsakalidis als Busfahrer beim Stützpunkt Rendsburg der Autokraft tätig. Im Sommer, wenn es schon hell war um diese Zeit, machte es ihm Freude, in aller Herrgottsfrühe mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Aber an Tagen wie heute war es kein Vergnügen, ebenso wenig im regnerischen November oder während der Wintermonate, wenn Schnee und Eis auf den Straßen lagen. Dann waren an ihn, den Busfahrer, nicht nur im Beruf besondere Anforderungen gestellt, auch der Weg zur Arbeit erwies sich als beschwerlich.
    Tsakalidis musste stets lachen, wenn er im Winter die Aufforderung im Radio vernahm, witterungsbedingt das eigene Fahrzeug stehen zu lassen und auf Bus und Bahn auszuweichen. Und wer brachte das Personal des Nahverkehrs zum Arbeitsplatz?
    Eine Windbö erfasste ihn, und er strauchelte fast, konnte sich aber noch fangen und strampelte mit zusammengepressten Lippen weiter. Hoffentlich flaute der Wind etwas ab, bevor Aliki den gleichen Weg zurücklegen musste, um zum Helene-Lange-Gymnasium zu gelangen, das ebenso wie das Busdepot, das in der Aalborgstraße angesiedelt war, auf der anderen Seite des Nord-Ostsee-Kanals lag.
    Es lebte sich gut in Osterrönfeld. Der aufstrebende Ort lag am südlichen Ufer des Kanals und war durch eine Schwebefähre mit der regionalen Metropole Rendsburg verbunden.
    Rendsburg war nicht nur als bedeutender Werft- und Handelsplatz bekannt, sondern genoss auch wegen seines Wahrzeichens, der Eisenbahnhochbrücke, weit über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit. In einer Schleife schraubte sich die wichtige Nord-Süd-Verbindung um den Stadtteil, der nach diesem technischen Meisterwerk auch »Schleife« hieß, auf eine Höhe von zweiundvierzig Metern, um die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt zu überqueren. Unter dem Mittelteil der Brücke hing die Schwebefähre an zwölf Seilen und überquerte an dieser Stelle in etwa zwei Minuten den Kanal, und das seit gut einhundert Jahren. Nur sieben Fähren dieser Art gab es auf der Welt, und eine war Teil von Tsakalidis' Arbeitsweg. Da nur vier Pkws und etwa sechzig Passanten auf die Fähre passten, hatte er es sich angewöhnt, unabhängig vom Wetter mit dem Rad zu fahren und das Auto seiner Frau Daphne zu überlassen.
    Heute hatte Tsakalidis keinen Blick für die Brücke. Manchmal sah man vom Ort aus die Aufbauten der großen Schiffe, die über den Dächern Osterrönfelds zu schweben schienen. Bei dieser Witterung konnte man allerdings nicht die Hand vor Augen erkennen. Er bog um die Ecke und sah die hell erleuchtete Fähre, die Schranke, die noch senkrecht stand, und das eine Fahrzeug, das sich zu dieser frühen Stunde aufs Deck verirrt hatte.
    Zwei Radfahrer hatten ihre Räder neben dem Pkw fast bis an die vordere Schranke geschoben, zwei weitere Fahrgäste, die zu Fuß unterwegs waren, versuchten, hinter der Plastikabdeckung notdürftig Schutz vor Regen und Wind zu finden.
    Er rollte auf die Planken, zwischen deren schmalen Ritzen man auf das gurgelnde Wasser blicken konnte, das etwa vier Meter unter dem Deck bei dieser Beleuchtung nur zu erahnen war.
    Tsakalidis nickte den anderen Fahrgästen
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