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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Autoren: Peter Freudenberger
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alleine sein – und früher oder später wird er damit rausrücken.«
    »Wird er nicht. Er steckt zu tief mit drin.« Scherer wischte sich mit dem Ärmel über den Mund, doch der Druck des Spatens ließ nicht nach.
    »Die Kripo wird eins und eins zusammenzählen.«
    »Die Kripo wird von der ganzen Sache nichts erfahren. Sie nehmen das alles mit ins Grab«, geiferte Scherer.
    Stillers Augen weiteten sich plötzlich. »Geben Sie auf, es ist zu spät«, rief er und versuchte, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. »Wir sind nicht mehr allein. Drehen Sie sich doch mal um!«
    Scherers Gesicht verzerrte sich ein weiteres Mal, Hohn mischte sich in den Ausdruck von Wut und Entschlossenheit. »Das ist ja nun das dümmste Ablenkungsmanöver überhaupt.« Seine Arme strafften sich, die Hände packten den Griff des Spatens fester.
    Mit einem dumpfen Schlag knallte etwas gegen seinen Hinterkopf. Blitzschnell stieß Stiller den Spaten zur Seite und rollte sich weg. Scherer sackte nach vorn, rammte den Spaten in den Boden und stürzte auf die Wiese.
    Hinter dem fallenden Scherer erschien eine dünne Gestalt, die Stiller aus seiner Froschperspektive nur als Silhouette vor dem klarblauen Himmel wahrnahm. Löckchen standen ihr vom Kopf ab wie die Korona einer Sonnenfinsternis. Spinnenarme reckten sich triumphierend in die Höhe.
    »Frauke«, rief Stiller heiser. »Was …«
    Triumphierend war auch ihr Ton. »Ich wollte doch mal sehen, mit wem du dich um acht Uhr im Vereinsheim verabredest, ohne dass ich es wissen sollte.«
    »Dafür kommst du reichlich spät.« Stiller massierte seinen Hals und lauschte auf Scherer, der sich stöhnend am Boden wand.
    »Ich musste dich ja erst mal finden und außerdem noch das hier holen.« Sie streckte ihm ihre Waffe hin.
    Stiller kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Dann ließ er den Kopf zurückfallen.
    Es war ein Gartenzwerg.

Epilog
    Das Frühstücksei gehörte zu den Dingen, auf die Claudio nicht mehr verzichten wollte. Es war für ihn zum Inbegriff deutscher Esskultur geworden. Schon um die Frage, wie lange es zu kochen sei, rankten sich Philosophien. Der anschließende Verzehr glich einer Zeremonie, die der japanischen Kunst des Teetrinkens gleichkam: Die kleinen Tellerchen, Becher oder wackeligen Designergestelle, auf die das Ei zu stellen war. Die putzigen Löffelchen aus Silber oder buntem Plastik. Die gezierte Art, mit ihnen gegen die Schale zu klopfen, bis sich kleine Sprünge bildeten. Die Sorgfalt beim Pellen. Die winzigen Salz- und Pfefferstreuer zum Würzen. Der Gaumenkitzel beim Auslöffeln.
    Auf Sizilien hatte es all das nicht gegeben. Da war das Ei nicht Schwelgerei, sondern Schlemmerei. Es diente als Zutat für Tiramisu und andere schwere Süßspeisen. Es ließ sich in die Pfanne schlagen, mit viel Fett und allem, was sich an Resten im Kühlschrank fand, zu einem Omelette backen. Heißsporne pflegten vor Liebesnächten rohe Eier mit einer Hand aufzubrechen, den Kopf zurückzuwerfen und sich den Inhalt in den Mund laufen zu lassen. Das versprach Kraft. Ein Ei am Morgen danach, ob weich oder hart, erschien nutzlos.
    Claudio erinnerte sich an sein erstes Frühstücksei in Deutschland. Er hatte es kräftig auf den Tisch geschlagen, die Schale abgerissen und es am Stück und ungesalzen in den Mund geschoben. Während er kaute, hatte er sich umgesehen und die betroffenen Blicke der Umsitzenden bemerkt. Jemand hatte gelacht. Er hatte in ihren Mienen gelesen, was sie dachten: »Er weiß das Frühstücksei nicht zu zelebrieren. Da kannst du mal sehen, wie überlegen die hiesige Kultur der sizilianischen ist.«
    Vorsichtig klopfte Claudio gegen das Frühstücksei. Antonia, seine Frau, hatte es ihm in einem Becher serviert, der wie ein geköpftes Ei aussah, bevor sie sich ans andere Ende der langen Tafel im Esszimmer setzte. »Hast du die Nachrichten gelesen?«, fragte er sie, während er die Schale abzupfte.
    »Ich habe sie gelesen«, antwortete sie. »In Aschaffenburg will die Bahn ein großes Areal gegenüber dem Hauptbahnhof verkaufen. Bist du interessiert?«
    Claudio zog Pfeffer und Salz zu sich heran. Die beiden Streuer stellten Engel und Teufel dar, die einander umarmten. »In dieser Stadt mache ich keine Geschäfte mehr.« Er bestäubte das Ei mit Salz. »Das haben die gar nicht verdient.«
    »Oh«, sagte Antonia. »Giuliano hat sich so viel davon versprochen.«
    »Basta.« Claudio schnitt mit dem gelben Plastiklöffel dem Ei die Kuppe ab, schob sie in den Mund
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