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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser
Autoren: E. L. Greiff
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EINS
BRUDERKRIEG
1
    Als sie anlegten, war es über dem Fluss noch dunkel. Der Tag kletterte nur zögerlich von den Hügelkuppen hinab, das Wasser des Eldrons glänzte wie Pech.
    »Sind wohl nicht gerade Frühaufsteher«, sagte Strommed.
    Marken schwieg. Die Aufgabe lastete schwer auf ihm   – ohne dass er hätte sagen können, warum. Denn eigentlich war es einfach: Er, Strommed und die pramschen Soldaten waren der Begleitschutz für die Unda Smirn; sie wollte die kwothischen Quellen aufsuchen und das war kein unmögliches Unterfangen, im Gegenteil. Es war leicht. Die Hohe Frau zu eskortieren war eher Respektbezeugung denn Notwendigkeit, schließlich waren die Kwother alte Verbündete Prams und deren Nachbarn. Großes, reiches, sonnendurchflutetes Pram   – dort waren Marken und seine Leute vor drei Tagen aufgebrochen und mit dem Kahn den trägen Eldron hinab bis nach Hal gefahren. Während dieser drei Tage war Markens Stimmung seltsam umwölkt gewesen. Er hatte es auf die Trennung von den Kameraden geschoben, das Reisen, den ungewohnten Aufenthalt auf dem Wasser.Nun, in der kwothischen Hafenstadt angelangt, war Markens Stimmung so finster geworden wie diese Nacht, die dem Tag nicht weichen wollte. Er blickte sich nach Smirn um, ihre Augen leuchteten hell im dunklen Gesicht. Sie sieht aus wie der Fluss, dachte Marken. Zwei der pramschen Soldaten hatten das flache Boot inzwischen festgemacht, aber Marken zögerte noch mit dem Befehl, an Land zu gehen. Es war zu still hier. Sie mochten früh dran sein, das ja, dennoch wirkte es nicht, als ob der Hafen von Hal schliefe. Er lag da wie tot.
    »Für jeden eine Fackel«, sagte Marken.
    »Wird doch bald hell«, sagte Strommed.
    Marken hielt kurz die Luft an, das genügte. Strommed lief zu einem großen Korb, schlug Segeltuch zurück, griff hinein. Das Boot schwankte leicht und das Öllicht, das von der Decke des kastenförmigen Aufbaus hing, pendelte. Im matten Schein der Lampe verteilte Strommed die Fackeln an die Pramer. Gute Männer, aber etwas zu träge, zu gleichgültig, fand Marken. Wieder wunderte er sich über den Missmut, den er wie einen bitteren Geschmack nicht loswurde. Es war kein Vergehen, etwas träge zu sein, denn was hatten sie schon zu erwarten? Sie würden von Stadt zu Stadt durchs Land der Kwother reisen und das war Freundesland, wenigstens für die Pramer. Acht Soldaten hatten sie Marken mitgegeben   – Felts Trupp war wesentlich größer. Aber Felt zog auch in den unbewohnten Norden, während Marken eine wesentlich bequemere Route hatte: Über Hal und Gem-Enedh bis nach Jirdh sollte es gehen. In den Bergen nördlich der kwothischen Hauptstadt befanden sich zwei wichtige Quellen, das hatte Marken der schweigsamen Smirn entlocken können. Er hatte auf der Karte nachgesehen, die der Segure Telden ihm mitgegeben hatte, und gefunden, was Smirn meinte: Nördlich, genauer nordöstlich von Jirdh, entsprangen zwei Flüsse. Ihre gewundenen Läufe waren mit Globa und Naryn beschriftet.Die Namen hatte Marken sich von einem der pramschen Soldaten vorlesen lassen und dabei ganz beiläufig getan. Während ihrer Flussfahrt hatte er dann immer wieder auf die mit feinen Strichen gezeichnete Karte geblickt und gedacht: Diese beiden Quellen sind also unser Ziel, die Quellen von Globa und Naryn. Er hatte aber keine rechte Vorstellung davon bekommen; die beiden Flüsse waren für ihn schwarze Linien und Kringel auf Pergament geblieben. Lesen war nicht seine Stärke und insbesondere der Umgang mit Karten bereitete Marken Mühe; er konnte die Abbildung nicht auf die Wirklichkeit übertragen.
    Wohin genau mochte es die Kameraden verschlagen? Mehr als die groben Himmelsrichtungen kannte Marken nicht, die Undae hatten sich, wie so oft, bedeckt gehalten. Felt jedenfalls war mit Reva über den Pramsee nach Norden gezogen. Viele leichte Boote, die roten Segel gebläht, hatten den Wachmeister und seine Leute, Reittiere und Gepäck über den glänzenden See davongetragen, tiefblau und wolkenlos war der Lendernhimmel gewesen. Pfadmeister Kersted war mit Utate und seiner Gefolgschaft schon in der Früh zu Pferd aufgebrochen, sie hatten Richtung Nordwesten gewollt, ins Land der Steppenläufer.
    Und Marken hatte am Kai gestanden. Nicht allein, sondern im Gewimmel der Bediensteten und Schaulustigen, die sich den Aufbruch der Welsen und Undae nicht entgehen lassen wollten, aber dennoch abgeschnitten von allem. Wenig später war er in diesen flachen, breiten Kahn gestiegen, der ihn und
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