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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee
Autoren: Rita Hausen
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1. Verleumdungen
Frederiksborg, November 1771
    Struensee saß an seinem mit Petitionen, Entwürfen, Erlassen und anderen wichtigen Papieren überladenen Schreibtisch. Der Hof war vor zwei Tagen von seinem Sommeraufenthalt in Hirschholm nicht etwa nach Kopenhagen zurückgekehrt, sondern nach Frederiksborg gezogen. Das Schloss lag abgeschieden und malerisch nordwestlich von Kopenhagen auf einer Insel im Slotsee. Die Mauern ragten direkt aus dem Wasser und spiegelten sich an schönen Tagen darin. Üblicherweise wurde das Schloss als Sommerresidenz genutzt, doch nun zog der November mit milchig-trüben Tagen und Nebelschwaden um die Gebäude.
    Der Minister hatte seine Perücke nachlässig auf einen Stuhl geworfen und sich einen bequemen Hausmantel übergezogen, das hieß jedoch nicht, dass er sich private Freizeit gönnte. Seine Feder kratzte eilends über einen Briefbogen, als ein Diener ihm den Besuch von Falckenskiold meldete. Struensee fuhr sich nachdenklich mit der Feder über die Wange.
    Was wohl den General bewog, ihn zu dieser späten Stunde aufzusuchen? Gewiss, sie waren befreundet, doch war nicht anzunehmen, dass er mit ihm eine Flasche Wein leeren wollte. Als er durch die Tür eilte, erhob sich Struensee und trat hinter dem Schreibtisch hervor. „Otto! Was verschafft mir das Vergnügen deines Besuchs?“ Falckenskiold schnaufte aus, legte bedächtig seinen Dreispitz auf einen kleinen Tisch am Eingang und begrüßte den Freund: „Friedrich entschuldige, ich muss dich stören. Und ich rede nicht lange drum herum – also kurzum …“
    Struensee schüttelte verwundert den Kopf: „Willst du dich nicht erst einmal setzen?“ Der General nahm Platz und sagte: „Verschwörung, überall Verschwörung. In Kopenhagen kleben allerorten Flugschriften an den Mauern, die deinen Rücktritt fordern. Einige sind als Steckbriefe formuliert, als wärest du der schlimmste Verbrecher.“ Struensee starrte ins Leere. Neu war das nicht.
    Die Stimmung hatte sich schon seit einiger Zeit gegen ihn gekehrt. Das war einer der Gründe, warum sie nicht nach Christiansborg zurückgekehrt waren. Angst kroch in ihm hoch, dennoch sagte er scherzhaft: „Durch deinen Aufenthalt in Russland hast du dich daran gewöhnt, überall Verschwörungen zu sehen.“ Falckenskiold zog ein zusammengefaltetes Flugblatt aus der Tasche und hielt es dem Freund unter die Nase: „Schau, hier werden 5000 Taler für deine Ermordung geboten.“ Der Minister nahm das Blatt und las: „Da der Verräter Struensee fortfährt, den König zu misshandeln, seine getreuen Untertanen zu verhöhnen und von Tag zu Tag immer mehr von der königlichen Macht an sich reißt, so werden Struensee und seine Anhänger für vogelfrei erklärt und derjenige, der diese verräterische Seele ausbläst, soll zur Belohnung fünftausend Taler erhalten, sein Name verschwiegen bleiben und ihm jedenfalls königliche Begnadigung zuteilwerden.“
    Struensee erblasste. Mit einem Male übermannten ihn Müdigkeit, Überdruss und Schwäche. Er hatte an seinem Reformplan gearbeitet bis zum Umfallen. Unermüdlich. Wie gehetzt. - Jetzt sank er schlagartig in sich zusammen. Matt fragte er: „Was soll ich tun, was rätst du mir?“
    „Was alle raten würden, die einen Hauch von Verstand haben. Geh außer Landes! Rette dich!“ Trotz seines Überdrusses bäumte Struensee sich innerlich auf. Das kam für ihn nicht in Betracht. Er lächelte ironisch. „Ich will mich aber nicht wie einen Hund wegjagen lassen. Ich habe nichts Böses getan und möchte nicht mein Reformwerk unvollendet zurücklassen. Die Stimmung des Volkes wird sich mit der Zeit ändern, wenn es merkt, dass …“ Der Freund unterbrach ihn: „Friedrich, hör auf zu träumen, hör auf meine Warnung.“ „Warum verleumdet man mich? Warum ist man so schlecht auf mich zu sprechen? Ich arbeite Tag und Nacht für das Wohl Dänemarks.“
    „Und nimmst dabei auf niemanden Rücksicht. Wie viel Erlasse hast du seit letztem Jahr auf das Land niederprasseln lassen? Das versteht niemand mehr. Die Leute sind verwirrt. Aber darum geht es gar nicht. Die Verschwörer streuen aus, du wolltest den König beseitigen, die Königin zur Regentin machen und alle Macht an dich reißen. Man wird dich aufs Blutgerüst bringen!“ Struensee schauderte und fuhr sich über die Augen.
    „ Der englische Gesandte Sir Keith hat mir viel Geld geboten, wenn ich das Land verlasse. Meine Person belastet die englisch-dänischen Beziehungen. Ich habe das Angebot natürlich
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