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Sternenteufel

Sternenteufel

Titel: Sternenteufel
Autoren: André Norton
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keiner ihrer Spezies, der so verbrannt war, konnte noch leben! Und doch stand dieses – Ding aufrecht, und seine Zähne grinsten höhnisch. So jedenfalls erschien es Elossa.
    Nein! Nichts, das so aussah, konnte leben! Sie atmete ein paarmal tief ein, um ihre Nerven zu beruhigen. Wenn diese Gestalt nicht leben konnte, war es nur eine – Gedankenform!
    Das Ding hatte sich bewegt. Elossas Augen sahen es dreidimensional, so substantiell wie ihre eigene Hand, die sie unwillkürlich abwehrend erhoben hatte. Gedankenform – von wessen Gehirn geschickt – und weshalb? Der Schild war nun hochgezuckt, so daß bloß noch die leeren Augenhöhlen über den rußgeschwärzten Rand blickten. Das Ding kam auf sie zu …
    Wenn es wirklich eine Gedankenform war, nährte sie sich von ihrer Angst und nahm durch sie immer mehr Substanz an. Sie lebte nicht wirklich, nur insoweit, als sie ihren Gefühlen Leben entziehen konnte.
    Elossa benetzte die trockenen Lippen. Sie hatte ihr ganzes Leben lang mit Illusionen zu tun gehabt. Aber sie waren ihrem eigenen oder einem verwandten Geist entstanden. Diese hier war völlig fremd, einem Gehirn entsprungen, das sie nicht verstehen konnte. Wie sollte sie da dagegen ankommen?
    Aber es war eine Illusion! An diesen Gedanken klammerte sie sich. Und doch kam diese gespenstische Gestalt immer näher, hob bereits langsam das Schwert, um sie damit niederzumachen. Jeder Instinkt drängte sie, sich mit dem Stab dagegen zu wehren. Aber gäbe sie diesem Drang nach, wäre es ihr Ende.
    Gedankenform … Unter ihrem ursprünglichen Grauen und Abscheu regte sich ein neues Gefühl. Vielleicht war dieses Ding ihrem Traum entstiegen? Jetzt erregte nicht mehr die Skeletterscheinung Furcht in ihr, sondern die Erinnerung an die Vernichtung der Stadt.
    Es mußte ein Wachsoldat gewesen sein, der dort verbrannt war. Aber in wessen Erinnerung war er so wachgeblieben, daß er gegen sie gerichtet werden konnte? Und warum?
    Ein Wächter, natürlich! Ein Wächter, der auf seinem Posten gestorben war. Und er war vermutlich gar nicht die Gedankenform eines lebenden Geistes, sondern ein Anhalten von Schmerz und Wut von solcher Ungeheuerlichkeit, daß er noch projiziert werden konnte, obgleich das Gehirn, dem er entsprungen war, selbst längst nicht mehr lebte.
    »Es ist vorbei«, sagte Elossa laut. »Lange schon vorbei.« Aber konnten Worte die Toten erreichen? Doch dies war nur eine Projektion. Und sie befand sich überhaupt nicht in Gefahr …
    Sie hüllte sich in Selbstvertrauen, wie sie es vielleicht mit ihrem Reiseumhang tun mochte, und schritt den Weg weiter, dem sie folgen mußte, um ihr Ziel zu erreichen. Einen Schritt tat sie, zwei. Sie befand sich nun fast unmittelbar vor der drohenden Gestalt. Noch einen Schritt …
    Sie taumelte fast, als die Woge allesüberwältigender Gefühle gegen sie brandete, an ihrem Selbstvertrauen rüttelte, an ihrem Verstand. Ihr Kopf schien zu bersten.
    Und dann war sie hindurch!
    Sie blickte zurück. Nichts befand sich hier, nur sie allein. Es war genau, wie sie es gedacht hatte. Sie stützte sich mit beiden Händen auf den Stab. Ihre Knie waren so weich, daß sie glaubte, sie müßten jeden Augenblick nachgeben, aber sie torkelte hinein in den feuchten Nebel, der den Abstieg vom Paß verhüllte.
    Sie hörte Geräusche vor sich. Der erste Angriff hatte ihre Augen täuschen sollen, der zweite war dazu bestimmt, ihre Ohren zum Narren zu halten. Schreie vernahm sie aus der Ferne, doch nicht von Tieren. Elossa wollte sich die Ohren zuhalten, um dieses Gebrüll, dieses Gellen, Heulen und Wimmern nicht hören zu müssen, aber das zu tun, wäre ein Eingeständnis, daß diese Projektionen Macht über sie hatten. Sie mußte …
    Elossa sah eine Bewegung im Nebel dicht am Boden. Sie blieb stehen, als eine Gestalt ganz deutlich zu sehen war. Sie kroch auf allen vieren, hatte weder Schild noch Schwert, noch sonst eine Waffe. Sie war auch nicht mit dem Feuer in Berührung gekommen.
    Obgleich sie sich wie ein zu Tode verwundetes Tier fortbewegte, langsam, schmerzvoll, war auch sie menschlich. Ein Bein endete in einer zerschmetterten Masse, aus der Blut sickerte und eine breite rote Spur auf den Steinen hinterließ. Der Kopf war zurückgeworfen, als suchte die kriechende Gestalt ein Ziel vor sich, das ihre einzige Überlebenschance sein mochte.
    Was hier aus dem Nebel wankte, war eine Frau. Das lange Haar klebte schweißnaß an den Schläfen und fiel nicht weit genug hinunter, um zu verbergen, was die
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