Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenteufel

Sternenteufel

Titel: Sternenteufel
Autoren: André Norton
Vom Netzwerk:
griff die Erschöpfung nach ihr. Ihre Hände fielen hinab, ihre Schultern neigten sich nach vorn. Es war inzwischen so dunkel geworden, daß sie das Gesicht des Raski nur noch als verschwommenen helleren Fleck sehen konnte. Aber er schlief tief und fest. Für ihn brauchte sie jetzt nichts mehr zu tun.
    Mühsam hob sie den Kopf. Sie wurde sich bewußt, daß der Kampflärm verstummt war. Gern hätte sie ihren Suchsinn ausgeschickt, aber von ihrer Kraft war nichts übriggeblieben. Sie war so völlig verausgabt, daß sie nicht einen Finger mehr rühren konnte. Zusammengekauert hockte sie neben dem Schlafenden und lauschte benommen.
    Kein Geräusch. Auch kein Gefühl von Wut drang ihr entgegen. Sie seufzte. Es würde mindestens eine Nacht und einen Tag dauern, bis ihre Kraft wieder in vollem Umfang zurückgekehrt war.
    Der Schlafende rührte sich ein wenig. Sein Kopf drückte gegen ihr Knie. Elossa erstarrte. Sie hatte ihre Schuld bezahlt, aber sie glaubte nicht, daß ihre Fürsorge den angeborenen Haß auch nur im geringsten mildern würde. Zwar hatte sie in seinem Zustand jetzt nichts von ihm zu befürchten, aber sein Gefühlsaufruhr, wenn er ganz erwachte, würde den Frieden und die Ruhe rauben, die sie unbedingt haben mußte, um ihre Kraft zurückzugewinnen.
    So müde sie auch war, sie mußte aus seiner Sichtweite. Schwerfällig rutschte sie vom Felsblock und lehnte sich an ihn, während sie ihren Stab aufhob.
    Auf ihn gestützt, wandte sie sich wieder dem Hang zu. In Richtung der Büsche schlug ihr Blutgeruch entgegen. Ganz in der Nähe lag eine Masse zerfetzten Felles und zersplitterter Knochen. Die titanischen Raubtiere hatten hier bis zu ihrer beider Ende gekämpft.
    Das Mädchen schleppte sich vorbei an diesem schrecklichen Schlachtfeld. Ihre Füße scharrten auf losen Steinen. Der Schrei eines Vogels war zu hören und nach einer Weile das leise Tappen weicher Ballen. Die Aasfresser kamen. Doch von ihnen hatte sie nichts zu befürchten.
    Endlich erreichte sie den Teich und tauchte Gesicht und Hände in das kalte Wasser. Dann tastete sie nach ihrem Proviantbeutel. Sie hatte bisher nicht auf ihren nagenden Hunger geachtet.
    Ohne sich richtig bewußt zu sein, was sie aß, kaute sie und spülte die Bissen mit Wasser hinunter, während sie sich bemühte wach zu bleiben. Schließlich vermochte sie die Augen nicht länger offenzuhalten. Sie zog das Kettchen um den Hals zurecht, so daß die kleine Scheibe, als sie sich ausstreckte, unter ihrem Ohr zu ruhen kam. Sie wußte nicht, wie sie funktionierte, nur daß sie allein auf sie abgestimmt war, und, an ihr Ohr gedrückt, sie vor Gefahr warnen würde.
    Derart geschützt zog Elossa ihren Umhang hoch. Für die abendliche Meditation, die Teil der Yurthübungen war, besaß sie einfach nicht mehr die Kraft. Sie schlief sofort ein.
    Träume waren wichtig. Die Yurth hatten sie erforscht, aufgezeichnet und ausgewertet. Sie hatten gelernt, sie zu lenken, von Traumbildern bestimmte Teilchen auszulesen und sie mit ins Erwachen zu nehmen, wo sie möglicherweise eine Frage beantworten oder eine neue zur Ergründung aufgeben konnten.
    Elossa war an Träume gewöhnt. Manche waren ungemein farbig und lebendig, andere wiederum so fein und verletzlich wie Spinnweben, daß nicht einmal sie mit ihrer Ausbildung sie einfangen konnte.
    Sie träumte: Sie stand auf einer Straße, die mit unglaublichem Geschick aus riesigen Steinblöcken fast fugenlos zusammengefügt war und sich unter ihren Füßen ganz glatt anfühlte. In große Höhen führte sie, bis ihr Auge ihr nicht mehr zu folgen vermochte. Elossa setzte Fuß vor Fuß, um diese Höhen zu erreichen. Jemand kam hinter ihr her. Sehen konnte sie ihn nicht, denn sie vermochte sich nicht umzudrehen, aber sie spürte ihn.
    Ihre Füße berührten die Steine nicht. Sie schwebte darüber mit ungeheuerlicher Geschwindigkeit und befand sich auch schon in den Bergen. Nebelschwaden wirbelten um sie, aber mit der Straße unter ihr konnte sie sich nicht verirren. So schnell schwebte sie, daß alles rings um sie verschwamm. Sie wußte, daß sie einen bestimmten Punkt erreichen mußte, aber weshalb, hatte sie keine Ahnung.
    Niemand außer ihr und diesem anderen hinter ihr befand sich auf der Straße. Sie spürte, daß der gleiche Drang auch ihn zu dem unbekannten Punkt zog.
    Höher und höher führte die Straße durch einen Paß, dessen Wände an beiden Seiten steil und schier endlos aufstiegen. Mit einemmal verließ die Kraft sie, die sie bis
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher