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Sternenteufel

Sternenteufel

Titel: Sternenteufel
Autoren: André Norton
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offenzulassen, bis ein Gedanke sie anzog. Ihm mußten sie folgen. Sie war nun schon vier Tage unterwegs. Sie spürte das seltsame Drängen in sich, das sie auf dem kürzesten Weg über die Ebene zu den Bergen leitete, in ein Gebiet, das nur jene betraten, die dem Ruf gehorchen mußten.
    Sie hatte mit denen ihres eigenen Geburtsjahrs oft Vermutungen angestellt, was sie in den Bergen erwarten mochte. Zwei von ihnen waren gegangen und wiedergekehrt. Sie jedoch zu fragen, was sie getan oder gesehen hatten, verbot die Tradition. Die Barriere bestand bereits in ihnen. Und so blieb das Geheimnis immer ein Geheimnis, bis man selbst vor seiner Lösung stand.
    Weshalb haßten die Raski sie nur so sehr, fragte sich Elossa. Der Obersinn, den sie nicht hatten, mußte daran schuld sein. Aber da war auch noch etwas. Sie unterschieden sich doch ebenfalls von den Hoos, den Kanen und allen anderen Lebewesen hier, vor denen sie Achtung empfanden und denen sie zu helfen versuchten. Ihr Leib, so schlank unter dem schützenden Umhang, und schmutzig von der langen Wanderschaft, wies weder Fell noch Schuppen auf. Trotzdem spürte sie in diesen anderen keinen Haß auf sie. Vorsicht, ja, wenn diese Geschöpfe erstmals zu den Behausungen des Clans kamen. Aber das war nur natürlich. Warum dann schlug ihr von jenen, deren Körper wie ihrer war, soviel finsterster Haß entgegen, wenn sie aus irgendeinem Grund gezwungen war, sich unter sie zu begeben?
    Die Yurth hatten nicht im Sinn, andere zu beherrschen, auch nicht jene von schwächerem Geist. Alles Lebende hatte seine Grenzen – davon waren auch die Yurth nicht ausgenommen. Einige ihres Clans waren von schärferem Verstand als andere, schneller in ihrer Denksprache, und ihre Ideen so ungewöhnlich, daß man in aller Ruhe darüber nachgrübeln mußte. Aber die Yurth hatten weder Herrscher noch mußten sie sich Höhergestellten unterwerfen. Es gab Bräuche, wie die Pilgerung, die von allen eingehalten wurden, wenn die Zeit dafür gekommen war. Doch niemand befahl sie. Von innen heraus gehorchte jeder ihnen, im Bewußtsein, daß es geschehen mußte.
    Zweimal hatten die Könighäupter der Raski ihre Armeen ausgeschickt, um die Yurth zu vernichten – das war lange vor Elossas Geburt gewesen. Doch sobald sie das Gebirge erreicht hatten, waren sie in das Illusionsnetz gefallen, das die Älteren nach Belieben weben konnten.
    Die Soldaten waren aus ihren disziplinierten Kompanien ausgebrochen und verwirrt umhergeirrt, bis sie behutsam wieder auf den richtigen Weg gewiesen wurden. Und im Kopf des jeweiligen Könighaupts war eine Warnung eingeprägt worden, so daß es – nachdem seine tapferen Soldaten einzeln und in Grüppchen mit wunden Füßen und völlig erschöpft wieder in die Stadt zurückkamen – keinen weiteren Feldzug in die Berge mehr plante. Nach dem zweiten Mißerfolg hatten die Raski die Yurth nicht mehr belästigt und ihnen das Bergland überlassen.
    Doch unter den Raski gab es Herrscher und Untertanen. Und soweit es Elossa beurteilen konnte, war das gar nicht zu ihrem Vorteil. Viele Männer und Frauen mußten ihr Leben lang schwer arbeiten, damit andere ein gutes Leben hatten, ohne selbst eine Hand rühren zu müssen. Das gehörte zu ihrem Anderssein, und vielleicht gefiel es jenen, die so schuften mußten, auch gar nicht. Haßten sie ihre Herren mit dem gleichen bitteren Gefühl, das sie für die Yurth empfanden? War dieser Haß in einem nagenden Neid auf Freiheit und Brüderlichkeit der Clans verwurzelt? Aber wie könnte das sein? Welcher Raski wußte überhaupt, wie die Clans lebten? Ihnen fehlte die Gedankensprache, und so vermochten sie auch nicht, fern ihrer Körper umherzustreifen, um zu sehen, was außerhalb der Sichtweite ihrer Augen lag.
    Erneut beschleunigte Elossa ihren Schritt. Nur fort von all dem! Sie hatte ein ungutes Gefühl. Es konnte doch nicht sein, daß ein Hauch der feindseligen Gedanken, die sie mit ihrem Obersinn aufgenommen hatte, ihr wie die Klauen eines Sargons nachgriffen? Solch törichte Einbildungen waren für Kinder. Doch je früher sie die Ausläufer des Gebirges erreichte, desto wohler würde sie sich fühlen.
    So schritt sie schnell dahin, und die bestellten Äcker wichen ausgedehnten Weiden, auf denen Hoos grasten. Diese geduldigen Tiere hoben die Köpfe, als sie an ihnen vorbeiwanderte. Sie grüßte sie schweigend, und das schien die Hoos so sehr zu erstaunen, daß hier und dort eines den Kopf schüttelte oder schnaubte. Ein jüngeres trottete
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