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Sternenteufel

Sternenteufel

Titel: Sternenteufel
Autoren: André Norton
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zerrissenen blutbefleckte Kleidung offenbarte, die grün und hauteng war, wie Elossa nie dergleichen je gesehen hatte.
    Die kriechende Frau streckte einen Arm aus, um sich weiterzuziehen. Dann öffnete ihr Mund sich zu einem lautlosen Schrei, und sie stürzte zu Boden, doch immer noch hielt sie den Kopf hoch und blickte zu Elossa auf. Aus ihren Augen sprach ein solches Flehen um Hilfe, daß das Mädchen, von Mitleid geschüttelt, fast schwankte und die Selbstkontrolle verlor.
    Hilf mir! Obwohl diese Worte nicht laut gesprochen wurden, dröhnten sie wie Glocken in Elossas Kopf. Unwillkürlich kniete sie sich nieder, streckte die Hand aus …
    Nein! Sie erstarrte. Fast hätte diese Illusion sie besiegt!
    Sich in einer Illusion zu verfangen! Diese schlimmste Angst der Yurth würgte Elossa fast. Sie schlug die Hände vors Gesicht und taumelte. Sie durfte sich auch von Mitleid nicht überwältigen lassen, denn damit würde sie sich selbst aufgeben!
    Doch die Augen zu schließen, nutzte nichts. Sie mußte dieses – Ding, das aus Gefühlen entstanden war, so behandeln wie den Wächter, als das, was es war – nichts als ein Schatten dessen, was einst gewesen sein mochte. So wie der Wächter sich von ihrer Angst genährt hatte (und vielleicht von der Angst anderer vor ihr), würde diese andere Illusion sich von ihrem Mitleid nähren und ihrem Wunsch, ihr zu helfen. Sie durfte ihren eigenen Gefühlen nicht nachgeben.
    Elossa erhob sich. Die Frau auf dem Boden hatte sich auf einen Arm gestützt, die Hand fest auf den Stein gepreßt. Die andere streckte sie flehend dem Mädchen entgegen, auch die Augen flehten, und ihre Lippen bewegten sich, als zwängen sie sich, die Worte hinauszupressen, die nicht kommen wollten.
    Genau wie sie es bei dem Wächter getan hatte, nahm Elossa all ihre Willenskraft zusammen und bemühte sich um absolutes Selbstvertrauen. Mit dem Stab in der Hand schritt sie weiter. Auch wich ihr Blick der Frau nicht aus, denn einer solchen Illusion mußte man sich ganz stellen, ohne zurückzuschrecken.
    Weiter … Und wieder diese Flut von Gefühlen: Schmerz, Furcht, doch vor allem Flehen um Hilfe, um Trost …
    Sie war hindurch, ausgelaugt, zitternd. Wieder schloß der Nebel sich um sie, als sie sich weiterschleppte und sich bemühte, diesen Aufruhr von Gefühlen abzuschütteln, der ein zweites Mal versucht hatte, sie einzufangen – und diesmal beinahe mit Erfolg.
    Es war gut, daß Elossa nur der Straße zu folgen brauchte, denn wie leicht wäre sie sonst in diesem Nebel von ihrer Richtung abgekommen. Und dann, nach einer Weile, löste er sich teilweise auf. Sie blieb stehen und blickte zum Paß hoch, der jedoch noch hinter der Nebelwand verborgen war.
    Nein, was sie jetzt spürte, war keine Illusion! Sie hatte flüchtig ihren Suchgeist ausgeschickt, um sich zu vergewissern, daß sich außer den Gedankenformen nicht noch anderes dort oben verbarg. Dabei war sie überraschend auf einen sehr lebendigen Geist gestoßen. Sofort hatte sie sich zurückgezogen.
    Wer war es?
    Sie mußte es wissen, selbst wenn ihr Sondieren ihre Anwesenheit hier verriet.
    Elossa stand auf Stein, der feucht und glitschig vom höhergestiegenen Nebel war, und schickte mit größter Behutsamkeit ihre Sinne aus.
    Es war – er! Der Raski, den sie so weit zurückgelassen hatte. Weshalb war er ihr gefolgt? So viel sie auch zur Heilung seiner Wunde beigetragen hatte, konnte er sich keinesfalls bereits so weit erholt haben, daß ihm das Weitermarschieren leicht fiel. Aber es bestand kein Zweifel, es war der gleiche Geist, den sie gestern aufgespürt hatte. Er war hier – oben am Paß …
    Sie spürte seine schreckliche Furcht. Der Wächter – er mußte dem Wächter gegenüberstehen. Und ohne Schutz gegen Illusion (denn ein Raski konnte gar keinen haben), wie würde es für ihn ausgehen?
    Elossa biß sich auf die Unterlippe. Gestern war sie, zum Teil zumindest, schuld an seiner Verwundung und deshalb durch ihre Ehre verpflichtet gewesen, ihm zu helfen. Doch diesmal war die Sache anders. Er hatte diesen Weg selbst gewählt, ohne ihr Zutun. Deshalb war sie nicht verantwortlich für das, was ihm nun zustoßen würde.
     

 
5.
     
    Geh weiter, befahl ihre Logik, verstärkt noch durch ihre Ausbildung, die bereits mit ihrer Geburt begonnen hatte. Trotzdem zögerte Elossa und brach die feine Verbindung mit der Furcht des anderen nicht. Geh weiter! Das ist nicht deine Sache. Damit hast du nichts zu tun. Wenn er sich entschlossen hat, hinter dir
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