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Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da
Autoren: Clemens Haipl
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Im Basislager
    Ich habe ein E-Mail bekommen. Es hat mich über meine Website erreicht, die ich in dem mir eigenen Anspruch, alles alleine zu können, selbst gebastelt habe. Mit iWeb , dem Kinderspielzeugwebsitenmachprogramm von Apple, das jedem Fachmann einen Blick der Verachtung ins Gesicht zaubert. Ich versuche dann immer so zu tun, als wäre mir das egal, dass meine Website absichtlich so billig aussieht. Aber das ist etwa so, als versuchte man zu erklären, der Hosenschlitz sei absichtlich offen und der Schnittlauch auf den Zähnen genau so gewollt. Egal.
    Ich wollte nie von IT-Fachleuten und Webprogrammierern geachtet und bewundert werden. Stimmt nicht, ich wollte eigentlich immer von allen Menschen geachtet und bewundert werden. IT-Fachleute und Webprogrammierer stachen dabei eben nicht besonders hervor. Ich muss jedenfalls damit leben lernen, dass ich es nicht allen Leuten recht machen kann. Radio, TV, Print, Kabarett, Musik (in drei Bands gleichzeitig, natürlich) und dann noch ein gemütlicher Kerl sein, der des Abends die Gastronomie in der Nachbarschaft gewissenhaft unterstützt... das reicht irgendwie. Wenn ich jetzt auch noch anfange, Websites so zu programmieren, dass mich IT-Fachleute und Webprogrammierer achten und bewundern, dann könnte ich ein echtes Zeitproblem bekommen. Ich bin an sich sowieso schon nervös und mit dem Leben überfordert. Erhöhter Blutdruck ist vorhanden, und die Weltfinanzkrise trägt auch nicht zur Beruhigung der Gesamtsituation bei. Die bloße Tatsache, dass ich die letzten zwanzig Jahre aus eigener Kraft überlebt habe (und gar nicht mal schlecht: Es war immer Fleisch auf dem Tisch, die Urlaube waren dekadent und meinen Leib umschmiegen Damast und Seide), heißt nämlich nicht, dass ich die nächsten vierzehn Tage überleben werde. Also, es ist an sich schon wahrscheinlich, die Statistik spricht eindeutig dafür. Aber erklären Sie das einmal meinem neurotischen... äh... ja, wem eigentlich? Ist es mein neurotischer Kopf, mein Geist, mein Charakter, der mir Zukunftsängste macht? Mein Körper kann es ja schlecht sein, obwohl gerade der nervöse rote Flecken bekommt... Ich weiß das alles nicht, vielleicht werde ich aber an anderer Stelle darauf zurückkommen.
    Jedenfalls, ich habe ein E-Mail über meine Website bekommen. Das heißt, dass der Absender meinen Namen höchstwahrscheinlich gegoogelt hat. Es ist nämlich nicht sehr schwer, meine drei anderen E-Mail-Adressen herauszubekommen, wenn man sich ein bisschen in der sehr überschaubaren Wiener Medienszene umhört. Der Absender hat also meinen Namen gegoogelt (ich empfinde das als Kompliment) und mir geschrieben. Er sei von einem Verlag, und man würde gerne mit mir ein Buch machen.
    Da schau einer an, ein Buch. Ja, das finde ich schön. Hat ein bisschen was Bleibendes. Bedeutsames. Wirkt nicht so billig wie Radio und TV-Sendungen, wird in den Kulturspalten respektvoller behandelt als Kabarett. Buchautoren wird automatisch unterstellt, dass sie gebildet und reflektiert sind und was weiß ich noch alles. Dass die meisten einfach verhaltensauffällig sind und Bücher schreiben, weil sich niemand mit ihnen beschäftigen will außer dem geduldigen Textverarbeitungsprogramm, in das sie dann völlig unwidersprochen hineinhämmern... das, das wird nicht oft bedacht. In jedem anderen Gewerbe würde man solche Menschen als Koffer bezeichnen (okay, die zahlreichen zugeschalteten Leser aus dem Ausland können das Wort »Koffer« auch durch »Depp« oder »Idiot« oder »Vollidiot« ersetzen), im Kultur- und Literaturbetrieb gilt es aber schon als Auszeichnung, mürrisch, menschenfeindlich und schwierig zu sein. Wer viele As und As in Gespräche einbaut, vermittelt den Eindruck, sein Kopf platze vor Gedanken, und die Sprache komme eben nicht nach. Und selbstverständlich kann man sich auch ein paar Suppennudeln in den Fünftagebart drapieren. Leichte Verwirrtheit wirkt ja so sympathisch.
    Fürchterlich.
    Selbstredend finde ich den Gedanken, ein Buch zu schreiben, trotzdem hervorragend. Wie gesagt, ich will ja geachtet und geliebt werden. Ein Autor zu werden, schrullig und versponnen zu sein und dabei noch als intelligent zu gelten, erscheint mir als ein guter neuer Weg. Das mit dem Webprogrammieren kann ich später ja immer noch machen.
    »Sind wir bald da ?« soll der herzustellende Klassiker heißen, wie ich dem E-Mail-Verkehr entnehme. Aha, warum nicht? Zielt wohl ein bisschen auf das leicht infantile Image, das ich in der
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