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Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da
Autoren: Clemens Haipl
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abrufen, statt wie besessen auf dem Laptop herumzudrücken, aber mir ist dann eben nicht so langweilig. Ist ja auch was wert.
    So, ich habe also den ganzen lieben Tag damit zugebracht, Schnickschnack zu programmieren, damit ich musiktechnisch auf dem letzten Stand bin und könnte mich ganz schön lässig, modern und vorne dabei fühlen. Dummerweise ist mein Laptop schon etwas über drei Jahre alt und nicht annähernd mit dem avantgardistischen Ehrgeiz gesegnet, der mir innewohnt. Die Sau stürzt in einem fort ab. Das wäre zu Hause nicht weiter schlimm, weil ich ihn dann einfach nur neu starte und gut ist’s. Auf der Bühne wäre mir das aber doch ein wenig unangenehm. Es sieht einfach nicht so sexy aus, wenn ein vermeintlicher Buchhalter auf der Bühne technische Probleme hat, wie wenn einer langhaarigen Rocksau die Saite am Stromruder reißt.
    Am Abend hätte ich zu der Überraschungsgeburtstagsfeier eines Schulfreundes gehen sollen. An sich eine nette Idee, und ich hätte ihn tatsächlich ganz gerne wieder einmal gesehen. Aber ein Blick auf die Empfängerliste im Einladungsmail seiner Frau hat mich vor größerem Unglück bewahrt: ein Sammelsurium an Medien- und Politprominenz, Posertum der übelsten Sorte. Mir sind Menschen verdächtig, die mit fortschreitender Karriere ihren Freundeskreis wechseln. Es liegt der Verdacht in der Luft, dass das gar keine echten Freunde sind. In meiner Branche heißt das: erst niedrige Radioreporter und Bezirksjournalisten, dann TV-Gestalter und TV-Moderatoren, dann Kabarettisten der zweiten und schließlich solche der ersten Reihe. Irgendwann sind alle diese »Freunde« wieder nutzlos und man wird bester Freund — von Fernsehdirektoren, Politprominenz und Künstlern. Ist effizienter, als sich mit dem niederen Fußvolk herumzuschlagen.
    Wie mir vor solchen Menschen graut. Schrecklich! Wünsche ihnen trotzdem, dass sie nie echte Freunde brauchen werden. Das wäre dann hart. Und so blöd das jetzt klingen mag: Ich wünsche niemandem etwas Schlechtes. Nicht einmal dem größten Vollidioten. Warum auch? Ich habe nichts davon. Deswegen. So.
    Die Poser-Geburtstagsparty habe ich also ausgelassen. Tut mir leid, lieber Freund, aber du hast zu viele Freunde. Alternativ hätte ich zur Kabarettpremiere eines Kollegen gehen können. Inhaltlich sicher interessant, allerlei Premierenpublikum, interessierte Menschen aus dem alternativen Seitenblicke-Milieu. Ich habe nachgedacht und mich dafür entschieden, mit Xaver trinken zu gehen. Wir haben außerdem Pommes Frites gegessen. Er hat für seine Verhältnisse recht wenig gejammert, ich habe überprüft, ob er eh noch lebt, und dann haben wir weiter getrunken.
    Ich habe es nicht bereut.

Sonntag, 3. Mai
    Ich habe ein klein wenig schlechtes Gewissen, weil ich vor zwei Tagen so hemmungslos über die Internatsoberin gelästert habe. Was wenn sie das jemals liest? Wird sie dann beleidigt sein? Böse? Werde ich Hausverbot bekommen? Wird sie mir dann vorwurfsvoll erklären, dass sie gar nicht wirklich erzürnt ist, vielmehr sehr enttäuscht?
    Ich habe heute die Tür zu einem Badezimmerkasten angeschraubt. Der Badezimmerkasten selbst hängt schon länger dort, aber bisher eben ohne Tür. Das Besondere daran ist: Das Ding ist nicht angeschraubt, weil man zu Recht befürchten muss, auf Erdgas zu stoßen, das in zahlreichen Leitungen in der Wand von und zur Therme strömt. Also hat ein Handwerker auf Vermittlung meines Vaters das Ganze an die Fliesen geklebt. Keine Ahnung, wie das im Detail funktioniert (doch, habe ich schon, aber das würde jetzt zu weit führen, und außerdem ist es meinem Image als weltfremder, spiritueller Künstler abträglich, wenn ich hier anfange, Heimwerkertipps zu geben). Jedenfalls musste der Kleber eine Zeit lang trocknen, und so lange durfte man das wirklich tadellos verspiegelte Teil vom großen Schweden nicht belasten. Also habe ich die Badezimmerkastentür erst jetzt angeschraubt. Etwas schief, aber dafür war ich schnell.
    Der Schutzpatron der Arbeiter und Kettenzieher ist übrigens der hl. Jakob, der Altere. Ich wiederum bin stolzer Besitzer eines Akkuschraubers, und wenn man auf so etwas steht, habe ich damit sicher sehr sexy ausgesehen. Ich habe nämlich meinen Pyjama angehabt. Es ist so: Wenn ich morgens aufwache, kann ich meistens nicht mehr einschlafen (siehe Mai-Aufmarsch). Wie es der Teufel will, bin ich heute recht früh aufgewacht — zumindest für einen Sonntag. Wahrscheinlich bin ich ein bisschen nervös und
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