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Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da
Autoren: Clemens Haipl
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selbstsichere Ausdruck des Anglerglücks nicht so recht gelingen. Die Einheimischen schauen mitleidig. Warum können sie nicht wenigstens hämisch grinsen? Wäre mir lieber als Mitleid.
    Nach einem Kombinationslauf über Weiden und Felsen und eine weitere Weide stehe ich auf einem sumpfartigen Stück Erde. Das liegt daran, dass es ein Sumpf ist. Das merkt man zum Beispiel daran, dass das rechte Bein bis zum Knie in einer braun-schwarzen Sauce eingesunken ist. Ich kann es zwar gerade noch herausziehen, die Gummisandale bleibt aber stecken. Ich denke »Scheiße«, greife beherzt in die Sauce und finde nach wenigen Minuten den fehlenden Teil meines Schuhwerks. Der Geruch macht mich sicher: Das IST Scheiße! Die von Kühen nämlich. Was soll’s, ein kleines Missgeschick. Solange alles andere klappt.
    In Wahrheit möchte ich heulen. Allein die Vorstellung, von Fremden dabei beobachtet zu werden, wie ich in kurzen Hosen und weißem Hemd auf einer spanischen Alm stehe, das rechte Bein und der rechte Arm voller Morast und Kuhscheiße, einen Rucksack mit herauskippenden Angeln am Rücken, hält mich von einem spontanen Nervenzusammenbruch ab.
    So, was jetzt? Solange kein spontanes Gewitter über mich hereinbricht (in dieser Gegend von Spanien soll das Wetter innerhalb von Minuten Umschlägen)... Selbstverständlich vernehme ich in der Sekunde Donner und mache erste dunkle Wolken aus. Immerhin habe ich jetzt schon auf einer Körperhälfte eine gute Farbe bekommen. Ich bin rechts von brauner Scheiße bedeckt.
    Und ich fühle mich sehr müde.
    Nach etlichen Elektrozäunen und Disteln erreiche ich irgendwann den Strand und versuche, mich unauffällig im Meer zu waschen. Just in dem Moment kommt Gunki . Er hat mehr als genug Zeit gehabt, Wellen zu reiten, und, nein, ich habe keine Fische gefangen. Ist auch nicht so wichtig. Rauchen wir eine, trinken wir ein Bier. Bitte jetzt. Ich fühle mich müde. Müde und klein. Wenigstens lacht Gunki nicht. Ein wahrer Freund.

In den Tagen danach
    Ich bin auf einigen Felsen gesessen, habe eine Menge Badegäste an Sandstränden zum Schmunzeln gebracht, zahllosen Würmern und Schnecken zu einem grausamen Tod am Haken verholfen und keinen einzigen Fisch gefangen.
    Zwei spanische Mädchen von ungefähr sieben, acht Jahren haben mit den Händen einen kleinen Fisch gefangen, den sie mir schenken wollten. Wie rührend. Und wie demütigend. Für den Fisch und für mich.

    Ein alter Mann hat seinen Spaziergang am Meer unterbrochen, mir interessiert zugeschaut und versucht, mir klarzumachen, was mit meiner Angel nicht stimmt. Ich habe kein Wort verstanden. Hätte ich schon auf Deutsch nicht, aber Spanisch macht die Einschulung in die Grundbegriffe der Meeresfischerei nicht einfacher. Irgendwann hat er aufgegeben. Er wollte mir aber doch noch irgendetwas Sinnvolles auf den Weg mitgeben: Er deutete auf die Schachtel mit den Würmern: »Solar... muerte ...« Aha, wenn ich die Schachtel in der Sonne stehen lasse, werden die Würmer sterben. Das habe ich verstanden. Danke für den Tipp! Angelwürmer, die in der Sonne sterben, bevor sie per Ködernadel an den Haken gespießt werden (eine Prozedur, die mich jedes Mal unangenehm an eine Kreuzigung erinnert) — das geht nicht. Der Mann war zufrieden, mir etwas beigebracht zu haben, und zog von dannen.
    Kinder bleiben stehen und interessieren sich sehr für meine Gummifische. Ob ich die selbst gefangen habe, wollen sie wissen. Ich will ja sagen, um damit anzugeben, schaffe es aber nicht auf Spanisch. Ein anderer Angler gestikuliert wild und redet von » Plombo «. Wie bitte? Irgendwann fällt mir der Chemieunterricht in der Schule ein, und ich reime mir zusammen, dass er wohl Blei meint. Da helfe ich gerne aus. An Equipment reich, an Know-how arm, biete ich ihm aus meinem Sortiment verschiedenste Bleigrößen an. Er nimmt sich das größte, ich schenke es ihm und fühle mich wie ein guter Mensch. Bald kommt ein zweiter und braucht einen Haken. Es spricht sich herum, dass der seltsame Deutsche zwar keine Ahnung vom Fischen hat, aber jede Menge Angelzubehör. So bringe ich im Verlauf der Tage noch etliche Bleie, Haken und Schwimmer an den Mann. Dafür bekomme ich sicher Karmapunkte, und das macht mich froh.

Hernach
    Ich habe auf einem Felsen hockend einen Fisch gefangen. Er war fast zehn Zentimeter lang und hat silbern geglänzt. Ich habe ihn ins Meer zurückgeworfen und erst nachher bemerkt, dass er mir heimlich den Wurm vom Haken gefressen hat. Undankbares
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