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Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da
Autoren: Clemens Haipl
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sicher gewusst, dass ich nicht ernsthaft nach einem Feldstecher suchen, sondern direttissima die Abteilung für ferngesteuertes Spielzeug ansteuern würde. Das tue ich immer, wenn ich eines Großmarktes ansichtig werde, der so ähnlich heißt wie Konrad, nur mit C.
    Diesmal bin ich artig nach zwei Minuten wieder aus dem Elektro- Nerd -Männer-Markt herausmarschiert. Ich wollte mein eigenes Klischee nicht überstrapazieren. Außerdem erhalten kleine Überraschungen die Liebe.
    Tage später habe ich die Wiener Filiale heimgesucht, eine Viertelstunde lang die Ferngläser gemustert, als ob ich daran ernsthaftes Interesse hätte, und bin dann nach diesem gelungenen Täuschungsmanöver in die Abteilung für ferngesteuertes Spielzeug entschwunden.

Donnerstag, 30 . Juli
    Kennen Sie Jakobsmuscheln? Gibt es in allen Zeitgeistlokalen und treten im Verbund mit Ingwer, Zitronengras und Aperol auf. Mein Gott, warum auch nicht? Worauf ich aber hinauswollte... Ich habe ja, wie schon erwähnt, die Fischereiprüfung erfolgreich absolviert. Muscheln gelten zwar nicht als Fische, aber die Überleitung war jetzt doch relativ gelungen.
    Wie auch immer: Heute habe ich zum ersten Mal von meinem verbrieften Recht auf Fischmord Gebrauch gemacht. Ich war, wie man das aus kitschigen US-Filmen kennt, mit meinem Neffen F fischen. Also im Wesentlichen haben wir abwechselnd Würmer, Käse, Brot und Brombeeren (!) gebadet, aber einmal, nein, zweimal haben wir tatsächlich Glück gehabt. Ein Fisch von beträchtlicher Größe (ich denke, so um die vierzig, fünfzig Zentimeter) hat angebissen. Ich habe ihn hochprofessionell an Land gebracht und dann... völlig überfordert meinen Vater gerufen. »Papa, was macht man da jetzt ?« »Stein am Kopf«, war die lapidare Antwort. Allein, ich habe es nicht geschafft. Also hat mein Vater dem Fischleben per Steinstoß ein Ende bereitet, während ich sehr unmännlich daneben gestanden bin und meinem Neffen F kein gutes Vorbild war.
    Jetzt kommt der zweite Akt. Dazu muss man wissen, dass meine Mutter gerne Blockflöte spielt. Zu diesem Zwecke übt sie oft und eifrig. Mir ist zwar völlig schleierhaft, wie man nicht Blockflöte spielen kann (es ist wie Pfeifen, man tut es und basta), aber ich bin vom Ehrgeiz meiner Mutter begeistert. Jedenfalls sitzt also meine Mutter mit einer Freundin im Wohnzimmer, und die beiden Damen üben im Duett Blockflöte. Freiwillig wohlgemerkt. Niemand hat sie je dazu gezwungen. Und es ist auch kein ironisch gebrochener Antiwitz, der sie dazu treibt, Töne in die Landschaft zu schicken, die nicht von Gottes uneingeschränkter Liebe zeugen.
    Mein Vater spricht zu meinem Neffen F, seinem Enkel F: »Nimm doch den Fisch und erschreck damit die Oma .«
    Der achtjährige Knabe nimmt widerwillig aber doch den glitschigen Leichnam in seine zarten Kinderhände, marschiert ins Wohnzimmer, wo die beiden mittelalterlichen Damen heftigst ins Holz blasen, um ihm Kirchenlieder zu entringen — der Jüngling hält den Ladys das Tier vor die Nase und macht laut »Buh!«
    Wenn Sie ein bisschen Fantasie haben, können Sie sich gut vorstellen, dass das alles in allem ein rundes Bild ergeben hat: Neffe F, Fisch, Blockflöten, Oma und Freundin... tadellos, wirklich. Wenn Sie keine Fantasie haben, dann sollten Sie sowieso etwas anderes lesen. Ganz im Ernst, ich will Ihnen ja nicht die Zeit stehlen. Also, alles Liebe auch weiterhin!

Etwas später
    Ich habe einen Brief bekommen von der Brauerei, die so ähnlich heißt wie Villach. Sehr freundlich, und ich geniere mich jetzt, dass ich so patzig gewesen bin. Man hat mir aber keinen Strick daraus gedreht, nein, die Antwort war sehr nett. Wir sind wieder versöhnt, und ich muss in Zukunft Gott sei Dank doch kein Bier boykottieren. Ich bin da sehr streng und habe vor Jahren schon George W. Bush durch meinen fast konsequenten McDonald’s-Boykott in die Knie gezwungen. Das nur, falls Sie glauben, dass wir ja sowieso nichts ändern können.
    Ich habe außerdem eine Erscheinung gehabt. Als ich sechzehn war, war ich ein Jahr lang Austauschschüler in Ohio, USA. Weil sich nicht nur in Österreich gerne Ausländer mit Ausländern und Inländer mit Inländern zusammentun, waren meine besten Freunde folgerichtig aus Mexiko und Ecuador. Der Freund aus Ecuador hieß (und heißt noch immer) Santiago, Santiago Jaramillo, und war ebenfalls Austauschschüler. Ich habe seit Juli 1986 kein Wort mehr von ihm gehört. Nach einem Jahr enger Freundschaft war er wie vom Erdboden
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