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Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da
Autoren: Clemens Haipl
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Öffentlichkeit habe und an dem ich nicht ganz unschuldig bin. »Sind wir bald da ?« soll von Ortschaften handeln, die St. Jakob heißen. Ich soll sie mir ansehen und berichten, ob ich dort oder auf dem Weg dorthin irgendeine Form der Erleuchtung gehabt habe. Aha. Und dass das alles ein klein wenig nach Jakobsweg klingt, ist natürlich eine kleine Verrücktheit und bringt den nötigen Humor in die ganze Geschichte. Finde ich tadellos. Es wird nur schwierig sein zu erklären, dass dieser Klassiker der Weltliteratur nicht etwa ein Versuch ist, kaum acht Jahre nach Hape Kerkeling auf den Zug aufzuspringen. Auch, dass das Buch nicht als bloße Verarsche oder Satire gedacht ist. Was es ist, weiß ich nicht, ich habe es ja noch nicht geschrieben. Oder wissen Sie, was in Ihrem Leben in zirka zwei Monaten passiert sein wird? Ja? Ich beneide Sie. So viel Ordnung und Planung, alle Achtung. Da möchte man neidisch werden. Nein... Scherz, natürlich nicht! Voll ure fade finde ich das, Spießer, elendiglicher.
    Okay, ein kleines bisschen neidisch bin ich. Aber nicht sehr.
    So.
    Stimmt schon, Selbsterkenntnis, Erleuchtung und, generell gesprochen, alle Formen von Maßnahmen, die das Leben erleichtern, sind im Trend. Seit zirka zehntausend Jahren. Weil zur Zeit weniger Menschen in die Kirche gehen, gehen halt mehr auf den Jakobsweg oder zum Psychotherapeuten. Oder beides. Kinesiologie, Akupunktur, Shiatsu usw. usf. Aus der Konkursmasse der katholischen Kirche ist einiges zu holen. Das eine oder andere habe ich selbst probiert. Ob es geholfen hat? Ich glaube schon. Ich weiß ja nicht, was passiert wäre, wenn ich es nicht getan hätte. Sie schon? Aha, da haben wir es wieder, die Klugscheißer unter den Lesern. Ich merke mir das, keine Sorge... (Auf Facebook gibt es eine Gruppe Menschen, die Sätze gerne mit »...« beenden. Ich bin beigetreten.) Egal.
    Statistisch bin ich in der Mitte meines Lebens angelangt, habe aber nicht das Gefühl, die Hälfte zu wissen oder verstanden zu haben. Ich bin — ein Suchender! (An dieser Stelle setzen Streicher ein und das Bild wird unscharf. Die Sonne geht unter und ein Einhorn will von mir gefüttert werden. Ich denke an das »Füttern verboten !« -Schild im Zoo und foppe das Fabelwesen mit meiner flachen, leeren Hand. Ätsch!) Gründe hätte ich genug, mich den Tausenden von Pilgern anzuschließen, die den beschwerlichen, Segen bringenden Weg nach Santiago de Compostela auf sich nehmen. Die Meter für Meter auf ihren wunden Füßen bewältigen, erhellende menschliche Begegnungen haben, die Natur und dann auch gleich sich selbst neu kennenlernen. (Und dann ein Buch schreiben und in Talkshows auftreten und ordentlich Kohle abschöpfen.) Ich bin aber zu faul. Das liegt möglicherweise am mangelnden Leidensdruck. Man verändert ja immer nur dann etwas in seinem Leben, wenn die Alternative, also nichts zu verändern, noch unangenehmer ist. Was der Sinn des Leben ist und wie man glücklich wird ohne Lottogewinn und schönem Wetter, das wüsste ich aber schon alles sehr gerne.

Donnerstag, 30. April
    Ich beginne jetzt also zu schreiben.
    Ha! Gar nicht wahr. Hätte ich nicht schon viel früher begonnen zu schreiben, wären die Seiten davor ja leer. Blättern Sie ruhig zurück, nur zu. Überprüfen Sie das, ich habe nichts zu verbergen.
    Und?
    Eben.

    Ich habe mir also im Internet zusammengesucht, wie viele St. Jakobs infrage kommen. Inklusive Südtirol 16. In Worten, sechzehn! Da gehe ich nicht überall zu Fuß hin, kommt gar nicht infrage. Bin ja nicht mein eigener Feind. Wenn der Sinn des Lebens wäre, sich selbst zu quälen und zu kasteien, wäre das ein Totschlagargument für Suizid. Menschen, die glücklich sind oder wenigstens den Neid ihrer Mitmenschen schüren, wirken ja nicht gerade so, als müssten sie sich dafür wahnsinnig anstrengen. Dalai Lama, Bill Gates, Pamela Anderson, Udo Jürgens etc. Das muss auch anders gehen. Ich werde also mit der Bahn fahren oder mit dem Auto. Führerschein habe ich. Spät gemacht (ich glaube, mit 32), aber er gehört mir noch immer. Steht ja auch mein Name drauf, deswegen. (Schöne Vorstellung: Jeder Polizist, der einen Führerschein einzieht, darf diesen auch behalten und seinen Namen hineinschreiben. Besonders erfolgreiche Polizisten hätten dann so an die zehn, zwanzig Führerscheine und könnten bis an ihr Lebensende besoffen Auto fahren, weil sie immer genug Scheine hätten. Funktioniert im Prinzip wie der Geldverkehr. Geld wird nicht weniger, es gehört
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