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Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da
Autoren: Clemens Haipl
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sein nagelneues Weißbier stiehlt. Bevor er mich anruft und mir lang und breit erklärt, wo er ist und warum ich da auch hinkommen soll, ist es wahrscheinlich sinnvoller, kurz rüberzurufen. Das tue ich dann auch. Das Helau ist groß, und es werden schließlich drei Bier, zwei Cola und eine sehr fettige Salamipizza.
    Mir ist angenehm schlecht, und ich kann jetzt ruhigen Gewissens zum Soundcheck fahren. Nervös bin ich sowieso, das Essen habe ich hinuntergeschlungen, es gibt also eine realistische Chance, dass ich mir einen völlig verdorbenen Magen hole. Das würde mich insofern besonders freuen, als das Fluc , das ich heute Abend zu beschallen gedenke, für vieles bekannt ist, nicht aber für seine fortschrittlichen Sanitäreinrichtungen. Genau genommen ist schon der Gedanke daran eine Beleidigung für jeden Menschen mit Sinn für Reinlichkeit. Obwohl, das ist schon zu viel gesagt — »für jeden Menschen, der keine explizite Drecksau ist« trifft die Sache besser.
    Der Techniker ist von seinem Beruf nicht extrem begeistert, zumindest wirkt er nicht so. Ich werde mich aber nicht dafür entschuldigen, dass wir heute Abend hier spielen und dass er deswegen ein bisschen mehr Aufwand hat, als wenn sagen wir mal ein DJ auflegen würde. Oder wenn er überhaupt Urlaub hätte. Große Unwilligkeit ist im gesamten Bereich des Lokals auszumachen. Wenn Leistungsdenken und Kapitalismus irgendwo keine Chance haben, dann hier. Aber irgendwie auch wieder sehr charmant.
    Eigentlich nicht wirklich, aber man möchte ja höflich sein. Die Club-Betreiber sind tatsächlich sehr nett. Wir spielen um elf oder zwölf, ich weiß es nicht mehr. Ich rauche sehr fleißig, trinke Bier. Viele Leute sind nicht da, dafür sind sie auch nicht besonders enthusiasmiert. Stehen eher betont cool in der Gegend rum und schweigen. Wir spielen trotzdem sehr schön, macht mir Spaß und rockt. Der Laptop stürzt nicht ab, ich bin begeistert. Nach dem Gig kommt ein Cool-in-der-Gegend-Rumsteher nach dem anderen auf uns zu, um zu erklären, dass es ihm eigentlich total super gefallen habe, aber er habe sich nicht getraut, als Einziger »Zugabe« zu schreien. Das müssen wir doch verstehen. Keiner wolle auffallen und als uncool gelten. Und uncool definiert sich nun einmal darüber, dass man Emotionen zeigt. Und warum wir denn nicht länger gespielt haben, und wie schade, dass alle Leute so fad usw.
    Ich fasse es nicht. Sind Menschen überall auf der Welt so daneben? Oder ist das ein österreichisches Phänomen? Oder ein Wienerisches? Oder hat das was mit mir zu tun?
    Nein, ich werde nicht darüber nachdenken.

Montag, 4. Mai
    Das Wetter benimmt sich nicht so, wie man es von einem anständigen Mai erwarten könnte. In der Nacht hat es gestürmt und geregnet, und ich bin auf der Wohnzimmercouch aufgewacht. (Dort schlafe ich freiwillig, wenn ich rauche und dem Vergorenen besonders zuspreche. Der daraus resultierende Geruch ist nichts, worauf ich besonders stolz bin.) Ich wache also auf der Wohnzimmercouch auf und habe weder das Gefühl, ein Rockstar zu sein, noch fühle ich in mir die Segnungen des hl. Jakob. Im Gegenteil, im Gaumen sitzt der Beelzebub und im Nacken die Verspannung (so eine Bassgitarre wiegt mehr, als man glaubt).
    Nach einem gehaltvollen Frühstück bestehend aus Actimel und Schwarztee beschließe ich, den Jakobsweg mit dem Datenhighway kurzzuschließen und google nach »St. Jakob«. Ungefähr 1.380.000 Einträge. Die ersten: Bergbahnen, Urlaub im Pillerseetal , eine Pfarre in Deutschland. (Die muss ich leider auslassen. Wenn ich Deutschland in die Suche nach dem ewigen Glück mit einbeziehe, könnte das Unternehmen unüberschaubar werden — und das meine ich überhaupt nicht zynisch.) Ein Behindertenheim in der Schweiz habe ich auch gefunden. Das lassen wir vielleicht auch weg.
    St. Jakob im Pillerseetal gefällt mir ausnehmend gut: 630 Einwohner und 900 Gästebetten. Das heißt, wenn die ausgebucht sind, könnten die Gäste den Ort rein zahlenmäßig übernehmen. Kapern und entführen. Passiert nicht oft, aber warum nicht? Ich würde gerne ein hübsches Bergdorf kapern und entführen. Oder eine Südseeinsel.
    Unter der Überschrift »Geschichte« lernen wir Folgendes: St. Jakob in Haus: Der Name »Haus« geht in St. Jakob vermutlich auf einen sehr alten, bereits vor der endgültigen Besiedlung bestehenden Einödhof zurück. St. Jakob in Haus heißt nun: der heilige Jakob im Ortsteil Haus. Der Kirchenpatron ist personifiziert für die Kirche.
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