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steigen aus maschine brennt

steigen aus maschine brennt

Titel: steigen aus maschine brennt
Autoren: Roald Dahl
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länger ich festhalte, desto stärker wird die Gewißheit, daß ich loslassen muß, und so wächst mit jeder Stunde, jedem Tag, jeder Nacht, jeder Woche meine Angst. Vor vier Jahren hing ich nicht so über dem Abgrund. Da lief ich oben auf dem Feld umher, und obwohl ich wußte, daß es irgendwo einen Abgrund gab und ich hinunterfallen konnte, machte mir das nichts aus. Vor drei Jahren war es noch so, aber jetzt ist es anders.
    Ich weiß, daß ich kein Feigling bin. Dessen bin ich sicher. Ich werde immer weiterfliegen. Hier sitze ich heute, um zwei Uhr nachmittags, und fliege einen Kurs von hundertfünfunddreißig Grad mit fünfhundertfünfzig in der Stunde. Ich fliege gut, und obwohl ich solche Angst habe, daß ich kaum noch denken kann, werde ich das immer weiter tun. Nicht zu starten oder umzukehren kam nie in Frage. Ich will lieber sterben als umkehren. Der Gedanke an Umkehren kommt mir gar nicht. Es wäre leichter, wenn er das täte. Ich würde lieber gegen ihn ankämpfen als gegen diese Angst.
    Dort ist Wassalt. Kleine, getarnte Häusergruppen und großer, getarnter Flugplatz, wahrscheinlich voll von Me 109 und FW 190. Holland sieht schön aus. Im Sommer muß es dort nett sein. Ich nehme an, sie machen dort jetzt gerade Heu. Ich nehme an, die deutschen Soldaten sehen den holländischen Mädchen beim Heumachen zu. Hunde! Ihnen beim Heumachen zusehen und sie danach mit nach Hause nehmen. Ich würde jetzt gern Heu machen. Ich würde gern Heu machen und Apfelmost trinken.
    Der Pilot saß aufrecht in seiner Kabine. Sein Gesicht war fast ganz unter seiner Brille und seiner Sauerstoffmaske versteckt. Seine rechte Hand ruhte leicht auf dem Steuerknüppel, und seine linke Hand lag vorn auf dem Gashebel. Die ganze Zeit sah er sich am Himmel um. Es war ihm schon zur Gewohnheit geworden. Sein Kopf bewegte sich unaufhörlich von einer Seite zur anderen, langsam, mechanisch, wie ein Uhrwerk, so daß er fast jeden Augenblick jedes Stück des blauen Himmels absuchte, oben, unten und ringsherum. Aber in das Licht der Sonne selbst sah er zweimal so lange wie sonstwohin; denn das ist der Ort, wo der Feind sich versteckt und wartet, bevor er einen anfällt. Es gibt am Himmel nur zwei Möglichkeiten, sich zu verstecken; entweder in Wolken oder im Sonnenlicht.
    Er flog weiter; und obwohl sein Geist sich mit vielen Dingen beschäftigte und sein Gehirn das Gehirn eines verängstigten Mannes war, blieb sein Instinkt der Instinkt eines Piloten, der im Luftraum des Feindes flog. Mit einem schnellen Blick, ohne die Bewegungen seines Kopfes zu unterbrechen, überprüfte er seine Instrumente. Der Blick dauerte nicht länger als eine Sekunde, und so wie eine Kamera mit einer Öffnung des Verschlusses ein Dutzend Dinge festhalten kann, registrierte er in dem einen Augenblick den Öldruck, den Kraftstoffvorrat, den Sauerstoffvorrat, die Drehzahl seines Motors, den Ladedruck und die Fluggeschwindigkeit, und fast im gleichen Augenblick sah er wieder nach oben in den Himmel. Er sah in die Sonne, und als er hinsah, als er seine Augen zusammenkniff und in der blendenden Helle suchte, meinte er, etwas gesehen zu haben. Ja, dort war es; ein kleines schwarzes Pünktchen, das sich langsam über die helle Sonnenscheibe bewegte, und für ihn war dieses Pünktchen kein Pünktchen, sondern ein lebensgroßer deutscher Pilot in einer Focke-Wulf, die Kanonen in ihren Flügeln hatte.
    Er wußte, daß man ihn gesehen hatte. Ihm war ganz klar, daß der dort oben ihn beobachtete, sich Zeit ließ, weil er sich in dem grellen Sonnenlicht für gut versteckt hielt. Er beobachtete die Spitfire und wartete auf die Gelegenheit zum Angriff. Der Mann in der Spitfire ließ das kleine schwarze Pünktchen nicht aus den Augen. Sein Kopf stand jetzt ganz still. Er beobachtete den Feind, und während er beobachtete, ließ seine linke Hand den Gashebel los und begann sich in der Kabine hin und her zu bewegen. Sie bewegte sich schnell und sicher, berührte dieses und jenes, schaltete das Reflexvisier ein, entsicherte den Abzugknopf und drückte leicht mit dem Daumen auf einen Hebel, der den Anstellwinkel der Luftschraube ein klein wenig erhöhte.
    In seinem Kopf war jetzt kein anderer Gedanke als der Gedanke an den Kampf. Er hatte keine Angst mehr und dachte nicht mehr an Angst. All das war ein Traum, und so wie ein Schläfer morgens aufwacht und seinen Traum vergißt, so hatte dieser Mann den Feind gesehen und vergessen, daß er Angst gehabt hatte. Es war immer das gleiche. Es
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