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steigen aus maschine brennt

steigen aus maschine brennt

Titel: steigen aus maschine brennt
Autoren: Roald Dahl
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Schulter und flüstert dir zu, daß du jung bist, daß du noch unzählige Dinge tun und unzählige Dinge sagen möchtest, daß es dich erwischen kann, wenn du nicht aufpaßt, daß es dich fast mit Sicherheit früher oder später erwischen wird und daß du dann nichts mehr bist; dann bist du nur eine verkohlte Leiche. Es flüstert dir zu, wie deine Leiche aussehen wird, wenn sie verkohlt ist, wie schwarz sie sein wird, wie verkrümmt und spröde, das Gesicht schwarz, die Finger schwarz und die Füße bloß, weil man immer die Schuhe verliert, wenn man auf diese Art stirbt. Zuerst flüstert es dir nachts zu, wenn du wach im Bett liegst. Dann flüstert es ab und zu bei Tage, während du deine Zähne putzt, während du ein Glas Bier trinkst oder während du den Gang entlanggehst; und am Ende kommt es so weit, daß du es den ganzen Tag und die ganze Nacht, zu jeder Zeit hörst.
    Dort ist Ijmuiden. Sieht genauso aus wie sonst, mit dem kleinen Buckel, der daneben herausragt. Dort sind die Friesischen Inseln, Texel, Vlieland, Terschelling, Ameland, Juist und Norderney. Ich kenne sie alle. Sie sehen aus wie Bakterien unter einem Mikroskop. Dort ist die Zuider Zee, dort ist Holland, dort ist die Nordsee, dort ist Belgien und dort ist die Welt, dort ist die ganze große Welt, mit all den Leuten, die nicht den Tod vor Augen haben, und all die Häuser und die Städte, und das Meer mit all den Fischen. Auch die Fische haben den Tod nicht vor Augen. Ich bin der einzige, der sterben soll. Ich will nicht sterben. O mein Gott, ich will nicht sterben. Ich will wenigstens heute noch nicht sterben. Und es ist nicht der Schmerz. Wirklich, es ist nicht der Schmerz. Es macht mir nichts aus, wenn mein Bein zerschmettert wird oder mein Arm abbrennt; ich schwöre euch, das macht mir nichts aus. Aber ich will nicht sterben. Vor vier Jahren hätte ich nichts dagegen gehabt. Ich erinnere mich genau, daß ich vor vier Jahren nichts dagegen gehabt hätte. Auch vor drei Jahren hätte ich noch nichts dagegen gehabt. Es war alles schön und aufregend; das ist es immer, wenn es so aussieht, als würde man sowieso verlieren, so wie damals. Es ist immer schön, zu kämpfen, wenn man nichts mehr zu verlieren hat, und so sah es vor vier Jahren aus. Aber jetzt gewinnen wir. Es ist alles anders, wenn man gewinnt. Wenn ich jetzt sterbe, verliere ich fünfzig Lebensjahre, und die möchte ich nicht verlieren. Ich will auf alles verzichten, nur nicht darauf, denn das wären all die Dinge, die ich noch tun möchte, und all die Dinge, die ich sehen möchte; all die Dinge wie: weiter mit Joey zu schlafen, manchmal nach Hause zu fahren, durch einen Wald zu laufen, ein Glas einzuschenken. Dinge wie: sich auf die Wochenenden zu freuen und jede Stunde, jeden Tag, jedes der fünfzig Jahre am Leben zu sein. Wenn ich jetzt sterbe, entgeht mir das alles, und es entgeht mir auch alles andere. Es entgehen mir die Dinge, von denen ich nichts weiß. Ich glaube, das sind in Wirklichkeit gerade die Dinge, die ich mir am wenigsten entgehen lassen möchte. Ich glaube, der Grund, warum ich nicht sterben will, sind die Dinge, die ich mir erhoffe. Ja, das stimmt. Gewiß ist es das. Halte einem Landstreicher, einem nassen, frierenden Landstreicher am Straßenrand eine Pistole vor die Brust und sage: «Ich werde dich erschießen», und er wird schreien: «Nicht schießen! Bitte, nicht schießen!» Der Landstreicher klammert sich an sein Leben wegen der Dinge, die er sich noch erhofft. Ich klammere mich aus demselben Grunde an meines; aber ich habe mich jetzt schon so lange daran geklammert, daß ich es nicht mehr lange werde halten können. Bald werde ich loslassen müssen. Es ist, als hinge ich über einem Abgrund, ja, so ist es; und ich habe jetzt schon so lange da gehangen und habe mich mit den Fingern an der Kante festgehalten. Es ist mir nicht gelungen, mich wieder hinaufzuziehen, und meine Finger werden immer müder, fangen an zu schmerzen, und ich weiß, daß ich über kurz oder lang werde loslassen müssen. Ich wage nicht, um Hilfe zu rufen; das ist etwas, das ich nicht wage; und so hänge ich weiter über dem Abgrund, und während ich da hänge, zapple ich ein wenig mit den Beinen und suche verzweifelt einen Halt an der Felswand, aber sie ist steil und glatt wie die Bordwand eines Schiffes, und es gibt keinen Halt für meine Füße. Ich zapple. Ja, das ist es. Ich stoße mit meinen Füßen gegen die glatte Felswand, und sie finden keinen Halt. Bald muß ich loslassen. Je
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