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steigen aus maschine brennt

steigen aus maschine brennt

Titel: steigen aus maschine brennt
Autoren: Roald Dahl
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Tod eines alten, alten Mannes
    O Gott, was habe ich für eine Angst!
    Jetzt, da ich allein bin, brauche ich sie nicht mehr zu verbergen; ich brauche überhaupt nichts mehr zu verbergen. Ich kann mein Gesicht gehenlassen, weil mich niemand sieht; weil sechstausend Meter zwischen mir und den anderen liegen und weil ich mich jetzt, da es wieder soweit ist, doch nicht mehr verstellen könnte, auch wenn ich wollte. Jetzt brauche ich nicht mehr die Zähne zusammenzubeißen und die Kiefermuskeln anzuspannen, wie ich es beim Mittagessen tat, als der Corporal die Meldung hereinbrachte; als er sie Tinker gab und Tinker mich ansah und sagte: «Charlie, du bist dran. Du sollst als nächster rauf.» Als ob ich das nicht gewußt hätte. Als ob ich nicht gewußt hätte, daß ich als nächster rauf sollte. Als ob ich es nicht gestern abend schon gewußt hätte, als ich zu Bett ging, und um Mitternacht, als ich noch immer wach war, und die ganze Nacht hindurch, um eins in der Frühe und um zwei und drei und vier und fünf und sechs und um sieben Uhr, als ich auf stand. Als ob ich es nicht gewußt hätte, während ich mich anzog und während ich frühstückte und während ich in der Messe in dem Magazin las, in der Messe Shove-Halfpenny spielte, in der Messe die Anschläge las, in der Messe Billard spielte. Ich wußte es die ganze Zeit über, und ich wußte es, als wir zum Mittagessen hineingingen und während wir das Hammelfleisch aßen. Und als der Corporal mit der Meldung hereinkam – war das nicht von Belang. Es bedeutete nicht mehr, als etwa, daß es anfängt zu regnen, wenn eine schwarze Wolke am Himmel hängt. Als er Tinker den Zettel reichte, wußte ich, was Tinker sagen würde, bevor er den Mund geöffnet hatte. Ich wußte genau, was er sagen würde.
    Also war das auch nicht von Belang.
    Aber als er die Meldung zusammenfaltete und in die Tasche steckte und sagte: «Iß deinen Pudding zu Ende. Du hast noch genug Zeit», da wurde es schlimmer, denn ich hatte nun die Gewißheit, daß es wieder passieren würde, daß ich mich innerhalb einer halben Stunde in meinem Sitz anschnallen, den Motor prüfen und den Männern das Zeichen geben würde, die Bremsklötze wegzuziehen. Die anderen saßen alle um mich herum und aßen ihren Pudding; meiner war noch auf dem Teller, und ich konnte keinen Mundvoll mehr davon essen. Aber es machte sich gut, wie ich meine Kiefermuskeln anspannte und sagte: «Gott sei Dank. Ich habe es satt, hier herumzusitzen und in der Nase zu bohren.» Es machte sich bestimmt gut, wie ich das sagte. Es muß sich angehört haben wie bei allen anderen, wenn sie gleich darauf starten sollten. Und als ich vom Tisch aufstand und sagte: «Dann bis heut abend, zum Tee», muß sich das auch ganz ordentlich angehört haben.
    Aber jetzt habe ich so etwas nicht nötig. Gottlob habe ich das jetzt nicht nötig. Ich kann mich einfach entspannen und mich gehenlassen. Ich kann tun oder sagen, was ich will, solange ich dieses Flugzeug ordentlich fliege. Es war nicht immer so. Vor vier Jahren war es noch wunderbar. Ich tat es gern, weil es aufregend war, weil das Warten auf dem Flugplatz nichts anderes war als das Warten vor einem Fußballspiel oder bevor man beim Cricket als batsman rein sollte; und vor drei Jahren war es auch noch gut. Aber dann, immer die drei Monate Ruhe und wieder zurück zum Einsatz und wieder Ruhe und wieder zurück; immer wieder zurückgehen und immer noch davonkommen, und alle sagen, was für ein guter Pilot, und keiner weiß, wie knapp es damals bei Brüssel war, und wieviel Glück das eine Mal bei Dieppe dabei war und wie schlecht es das andere Mal bei Dieppe verlief und wieviel Glück und Unglück und Angst ich jede Minute jedes Fluges jeder Woche dieses Jahres gehabt habe. Niemand weiß das. Alle sagen sie: «Charlie ist ein hervorragender Pilot», «Charlie ist der geborene Flieger», «Charlie ist großartig».
    Ich glaube, er war es einmal, aber er ist es nicht mehr.
    Jedesmal wird es jetzt schlimmer. Es kommt zuerst ganz langsam, verstärkt sich allmählich, schleicht einen von hinten an, ganz leise, daß man sich nicht umdreht und es kommen sieht. Wenn man es kommen sähe, könnte man es vielleicht aufhalten, aber man wird nicht vorgewarnt. Es kriecht näher und näher, wie eine Katze näher kriecht, wenn sie einen Spatzen anschleicht, und dann, wenn es dicht hinter dir ist, springt es nicht, wie die Katze das tun würde; es beugt sich nur vor und flüstert dir ins Ohr. Es tippt dir leise auf die
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