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steigen aus maschine brennt

steigen aus maschine brennt

Titel: steigen aus maschine brennt
Autoren: Roald Dahl
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Leuchtspurgeschosse vor dem Bug seiner Maschine vorbeifliegen. Einmal, als sie nahe aneinander vorbeiflogen, sah er für einen Augenblick Kopf und Schultern des Deutschen unter dem Glasdach seiner Kabine; den Kopf ihm zugewandt, mit der braunen Haube, der Brille, der Nase und dem weißen Schal. Einmal, als ihm beim harten Abfangen schwarz vor Augen wurde, hielt die Blindheit länger an als gewöhnlich. Es dauerte vielleicht fünf Sekunden, und als das Sehvermögen zurückkehrte, sah er sich schnell nach der Focke-Wulf um und entdeckte sie in einer Entfernung von siebenhundertfünfzig Metern. Sie kam von der Seite genau auf ihn zu, eine dünne schwarze Linie von zweieinhalb Zentimeter Länge, die schnell wuchs, so daß sie fast augenblicklich nicht mehr zweieinhalb Zentimeter, sondern vier Zentimeter lang war, dann sechs Zentimeter, dann fünfzehn, dann dreißig. Es war keine Zeit zu verlieren. Er hatte eine Sekunde oder höchstens zwei, aber das war genug, denn er brauchte nicht erst zu überlegen, was er tun sollte; er brauchte nur seinem Instinkt zu erlauben, seine Arme und seine Beine, die Flügel und den Rumpf seines Flugzeuges zu steuern. Es gab nur eines zu tun, und die Spitfire tat es. Sie legte sich steil auf die Seite und kurvte auf die Focke-Wulf zu, bot ihr die Stirn und flog im Frontalangriff auf sie zu.
    Die zwei Maschinen flogen mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zu. Der Pilot der Spitfire saß aufrecht in seiner Kabine, und jetzt war, noch mehr als sonst, das Flugzeug ein Teil seines Körpers. Sein Blick ruhte auf dem Reflexvisier, auf dem kleinen gelben Lichtpunkt, der vor seiner Windschutzscheibe in den Raum projiziert war, und auf dem dünnen Strich der Focke-Wulf dahinter. Schnell, präzise bewegte er sein Flugzeug ein wenig hierhin und dorthin, und der gelbe Punkt, der sich mit dem Flugzeug bewegte, tanzte und hüpfte hierhin und dorthin, und dann war er plötzlich auf dem dünnen Strich der Focke-Wulf und blieb dort. Sein rechter Daumen in dem Lederhandschuh tastete nach dem Abzugsknopf; er drückte sachte darauf, so wie ein Schütze am Abzug zieht. Seine Maschinengewehre schossen, und zur gleichen Zeit sah er die kleinen Flammenzungen von der Kanone im Bug der Focke-Wulf. Die ganze Sache dauerte, von Anfang bis Ende, vielleicht so lange, wie man braucht, um sich eine Zigarette anzuzünden. Der deutsche Pilot kam gerade auf ihn zu, und er sah für einen Augenblick wie einen Schatten das runde Gesicht und die ausgestreckten Flügel der Focke-Wulf. Dann gab es ein Krachen, als ihre Flügelenden zusammenstießen, und ein Splittern, als die linke Tragfläche vom Rumpf der Spitfire abbrach.
    Die Spitfire war tot. Sie fiel wie ein toter Vogel, flatterte ein wenig, während sie starb, und behielt noch im Fallen die Flugrichtung bei. Fast in einer einzigen Bewegung lösten die Hände des Piloten die Gurte, streiften die Kopfhaube ab und schoben das Kabinendach zurück; dann faßten sie nach dem Rand der Kabine, und er war draußen, fiel, faßte nach der Reißleine, ergriff sie mit der rechten Hand, zog daran, daß sich sein Fallschirm öffnete und aufblähte und die Gurte ihn hart zwischen den Beinen rissen.
    Plötzlich herrschte eine großartige Stille. Der Wind blies ihm ins Gesicht und durch sein Haar, und er hob eine Hand und strich sich das Haar aus den Augen. Er war etwa dreihundert Meter hoch, und als er hinuntersah, sah er flaches, grünes Land mit Wiesen und Hecken und kleinen Bäumen. Auf der Wiese unter sich sah er einige Kühe. Dann sah er auf und als er hinsah, sagte er: «Mein Gott!» und seine rechte Hand ging schnell an seine rechte Hüfte und tastete nach seinem Revolver, den er nicht mitgenommen hatte. Denn dort, keine vierhundertfünfzig Meter von ihm, hing zur gleichen Zeit in gleicher Höhe ein anderer Mann am Fallschirm, und er wußte, als er ihn sah, daß es nur der deutsche Pilot sein konnte. Natürlich war auch seine Maschine bei dem Zusammenstoß beschädigt worden, genau wie die Spitfire. Er mußte auch schnell herausgekommen sein; und nun gingen sie also beide mit dem Fallschirm nieder, so dicht beieinander, daß sie womöglich auf derselben Wiese landen.konnten.
    Er sah wieder nach dem Deutschen, der dort in den Gurten hing, mit gespreizten Beinen und mit den Händen über seinem Kopf, an den Leinen des Fallschirms. Er schien ein kleiner, untersetzter und keinesfalls junger Mann zu sein. Der Deutsche sah auch zu ihm herüber. Er sah ständig herüber, und wenn sein Körper
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