Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition)
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
durchgesehen. Mit jedem einzelnen Tag, der verstreicht, wird der Schuldenberg noch größer. Heute Nachmittag bestellte mich Desmond Brewster deshalb zu sich in sein Kontor …«
    »Brewster?«, fragte Albert ungläubig. »Du meinst Desmond Halsabschneider Brewster? Den Geldverleiher?«
    »Hast du mit ihm etwa Geschäfte gemacht?«, fügte Hank hinzu, dessen kleine Augen sich entsetzt weiteten.
    »Scheltet mich nicht deswegen, Freunde«, bat Horace und spielte scheinbar gedankenverloren mit dem Puck. »Ich hatte immer gehofft, dass die schlechten Zeiten irgendwann vorbei sein würden und dass alles wieder werden würde wie früher. Aber alle Hoffnung war vergeblich, alles ist nur noch schlimmer geworden. Deshalb bleibt mir keine andere Wahl, als das Theater zu schließen.«
    »Nein!«, rief Albert noch einmal, und er und Hank ballten die Fäuste. »Das lassen wir nicht zu!«
    Cyns Vater lächelte schwach. »Ich fürchte, dass uns nichts anderes übrig bleibt, meine Freunde. In der Hoffnung, dass sich alles wieder zum Besseren wenden würde, habe ich eine Schuldverschreibung für das Theater unterzeichnet.«
    »Eine Schuldverschreibung?« Lucy sog keuchend nach Luft. »Horace Pence, wie konntest du nur?«
    »Wäre es nach der Bank gegangen, hätte ich schon vor einem Jahr schließen müssen. Also habe ich mir bei Brewster Geld geliehen, um das Penny Theatre erhalten und euch weiter bezahlen zu können.«
    »Das ist kein Problem«, versicherte Hank. »Wir alle verzichten für eine Weile auf unseren Lohn, wenn wir damit …«
    »Zu spät, meine Freunde.« Ein wehmütiges Lächeln spielte um Horace Pence’ Mundwinkel. »Schon in wenigen Tagen gehört dieses Theater und alles, was sich darin befindet, Desmond Brewster. Heute war unsere letzte Vorstellung.«
    Die letzte Vorstellung!
    Wie ein unheimliches Echo schwirrten die schrecklichen Worte durch den Bühnenraum. Natürlich war allen klar gewesen, dass es nicht gut um das Theater stand und es schon wesentlich bessere Zeiten gesehen hatte – nun jedoch mit derartiger Endgültigkeit vor Augen geführt zu bekommen, dass es aus und vorbei war, war für alle ein Schock. Sogar für Cyn, obwohl ihr Vater ihr schon am Nachmittag gesagt hatte, wie es um die Zukunft des Theaters bestellt war. Der letzte Vorhang war gefallen – das war so traurig, dass keiner darauf ein Wort zu sagen wusste. Albert und Hank ließen die Köpfe hängen, Nancy presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, bei Lucy flossen jetzt ungehemmt die Tränen.
    »Ab morgen«, fügte Cyns Vater leise und resigniert hinzu, »haben wir fünf Tage Zeit, um uns eine neue Arbeit und Bleibe zu suchen.«
    »Ha!«, machte Albert. »Als ob das so einfach wäre!«
    »Wir könnten zu den Docks gehen«, schlug Hank vor. »Dort werden immer kräftige Männer gesucht …«
    »Du kannst das vielleicht«, maulte Albert, auf die Muskelberge deutend, die sich unter den fleckigen Hemdsärmeln des anderen abzeichneten. »Und was soll ich tun, kannst du mir das sagen? Ich glaube nicht, dass sie auf den Docks einen alten Hausmeister brauchen können!«
    »Horace«, schluchzte Lucy, die sich mit einem mit Blumenmustern bestickten Taschentuch die Augen trocknete. »Wieso hast du uns das nicht früher gesagt?«
    »Weil ich euch nicht beunruhigen wollte.« Zum ersten Mal blickte Cyns Vater auf und schaute sie durch die runden Brillengläser an, seine märchenhafte Kostümierung als Elfenkönig ein krasser Gegensatz zur harten Wirklichkeit. »Ihr seid die einzigen Menschen, die Cynthia und mir auf dieser Welt geblieben sind. Ihr seid unsere Heimat, unsere Familie. Ich hielt es für meine Aufgabe, für euch zu sorgen – aber ich habe schändlich versagt.«
    Wieder sank sein Haupt. Nicht nur er, auch der Puck ließ den Kopf hängen – ein Anblick, der Cyn fast das Herz in der Brust zerriss. Dass das Theater geschlossen und sie ihren gesamten Besitz verlieren würden, dass sie womöglich schon in wenigen Tagen ohne Obdach waren, war eine Sache. Ihren Vater jedoch so traurig und niedergeschlagen zu erleben war ungleich schlimmer.
    »Du hast nicht versagt«, versicherte sie, trat vor und legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. »Keiner von uns macht dir irgendwelche Vorwürfe, hörst du?«
    »Meine kleine Cynthia.« Er sah sie an. Sein Blick war unendlich traurig, sein Gesicht schien um Jahre gealtert. »Ich hatte immer gehofft, dass ich dir dieses Theater eines Tages vermachen könnte, dass du die Familientradition
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher