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Spieglein, Spieglein an der Wand

Spieglein, Spieglein an der Wand

Titel: Spieglein, Spieglein an der Wand
Autoren: Ina Bruhn
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erkannt habe, das Rasmus von den Rächern des Engels zugeschickt bekommen hat.
    „Wie das denn?“
    „Rasmus meinte, du wärst es. Und außerdem hattest du genau diese Schuhe an.“ Ich zeige auf seine gelben Turnschuhe.
    Überraschenderweise wird Lasse knallrot. „Aber das waren die beiden Typen, die Jeppe zusammengeschlagen hatten.“
    „Ja, das weiß ich. Hat Jeppe euch denn um Rache gebeten?“
    „Nein, das … war unsere eigene Idee.“
    „Aber Juliane hat euch gebeten, Tony und Christian zu verprügeln?“
    Lasse nickt. „Die anderen in der Gruppe meinten, die Sache wäre ganz eindeutig. Das war sie auch. Rasmus wurde nur aufgrund seiner Sexualität Opfer eines Verbrechens, daran besteht kein Zweifel.“
    „Du solltest ihn mal besuchen. Er hockt den ganzen Tag mit dieser durchgeknallten Lesbe zu Hause und dreht Däumchen.“
    „Juliane?“
    „Ja. Deshalb könnte er Besuch vertragen. Besonders von dir.“
    Erneut wird Lasses Gesicht vom schlechten Gewissen überschattet. Er starrt wieder auf den Spielplatz: „Hast du gehört, wie es den beiden geht?“
    „Tony und Christian? Ja, allerdings. Mein Vater war dabei, als Tony operiert wurde.“
    „Ist dein Vater Arzt?“
    „Ja. Narkosearzt.“
    „Also geht es ihm nicht so gut.“
    „Meinem Vater?“
    Lasse seufzt und sieht mich an: „Nein, diesem Tony.“
    „Nein, es geht ihm ziemlich beschissen. Inzwischen ist er aus dem Koma erwacht, aber er hat einen Hirnschaden erlitten.“
    „Das habe ich gehört. Hat dein Vater gesagt … Weiß er, wie schlimm es ist?“
    „Es kann sein, dass er nach einer langen Reha vielleicht wieder laufen kann.“
    Lasse verschränkt die Arme und bohrt seine Nägel in die Armmuskeln seines engen T-Shirts. „Ich habe mich von der Gruppe zurückgezogen. Die Sache mit den beiden geriet außer Kontrolle. Sie wehrten sich und ein paar aus der Gruppe bekamen es mit der Angst zu tun. Dann ging es schief. Wir hätten nie so brutal zurückschlagen dürfen.“
    „Ihr hättet sie gar nicht erst überfallen dürfen“, entgegne ich kalt. „Das ist doch nichts anderes als ekelhafte Selbstjustiz.“
    „Ja, das hast du ja von Anfang an gesagt.“
    „Was habt ihr euch eigentlich gedacht? Jedem Idioten den Kopf zu zertrümmern, nur weil er einmal ‚Schwuchtel‘ ruft? Da hättet ihr aber viel zu tun.“
    „Ich bin nicht mehr dabei. Das habe ich doch schon gesagt.“
    „Und was ist mit dem Engel?“, frage ich. „Steuert er das Ganze?“
    Lasse schüttelt den Kopf. „Der Engel hat keinerlei Einfluss auf die Gruppe und hat es auch nie gehabt. Übrigens wird es auch keine weiteren Partys geben.“
    „Warum nicht?“
    „Bei der letzten im April hat er ziemlich viel Geld verloren.“
    „Woher weißt du das?“
    „Weil wir in Kontakt stehen.“
    „Also weißt du doch ganz genau, wer er ist?“
    „Ja. Wir sind schon seit vielen Jahren befreundet.“
    „Dann musst du mir eben mal etwas beantworten.“
    Lasse hebt seine Augenbrauen und seine übliche Arroganz ist wieder voll da. „Ach, muss ich das?“
    „Ja, und du solltest besser ehrlich antworten, denn ich habenoch eine Kopie von eurem Gewaltvideo auf meinem Computer, das ich ziemlich schnell zusammen mit deinem Namen und dem Hinweis auf deine Schuhe an die Polizei schicken könnte.“
    „Willst du mir etwa drohen?“
    „Ich möchte nur eine Sache über den Engel wissen: Heißt er im echten Leben Jacob?“
    „Nein.“
    „Gibt es in eurer Rächergruppe einen, der so heißt?“
    Lasse schüttelt den Kopf: „Auch nicht. Warum willst du das wissen?“
    „Das spielt keine Rolle.“
    Jacob A A ist kein Rächer des Engels und auch nicht der Engel selbst, was zugleich eine Erleichterung und eine Enttäuschung darstellt. Für kurze Zeit war ich dicht an einer Lösung dran, aber jetzt scheint sie genauso weit weg wie immer.
    „Bist du der Engel?“ Die Frage entfährt mir, bevor ich überhaupt darüber nachgedacht habe. „Habe ich auf der Party mit dir gesprochen? Warst du es schon die ganze Zeit?“
    „Nein, ich bin es nicht.“
    „Du könntest es tatsächlich sein“, sage ich. „Während der Engel auf der Party war, habe ich dich nicht gesehen, und umgekehrt.“
    „Hey, das schmeichelt mir sehr, aber ich stehe nicht so aufs Verkleiden.“
    „Vielleicht stimmt das Gerücht, das Juliane gehört hat: Der Engel ist vor zwei Jahren an einer Überdosis gestorben. Deshalb hörten die Partys plötzlich auf. Du wusstest, dass er tot ist, weil ihr euch kanntet, und hast
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