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Spieglein, Spieglein an der Wand

Spieglein, Spieglein an der Wand

Titel: Spieglein, Spieglein an der Wand
Autoren: Ina Bruhn
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gesprochen.“
    „Worüber?“
    „Über meinen Auszug.“
    „Wir haben nicht darüber gesprochen. Du hast erzählt, dass du ausziehst. Das ist kein Gespräch, sondern eine Mitteilung.“
    „Johannes würde dich wirklich gern kennenlernen“, sagt meine Mutter und wechselt mühelos das Thema.
    „Das ist doch gelogen.“
    „Er hat vorgeschlagen, dass ihr mal zusammen tauchen gehen könntet.“
    „Im Februar?“
    „Johannes taucht das ganze Jahr über.“
    Das war ja klar. Wahrscheinlich trägt er nicht mal einen Neoprenanzug, sondern springt lediglich mit knappen Badehosen und Schwimmflossen bekleidet ins Treibeis.
    „Und plötzlich klappt etwas mit der Sauerstoffzufuhr nicht – und er ist mich für immer los.“
    „Mateus, jetzt hör aber auf! Das ist wirklich gemein von dir.“
    „Bis irgendwann, Mama.“
    Insgeheim kann ich sie aber ganz gut verstehen. Manchmal ist mein Vater ein richtiger Waschlappen. Bevor er nach Afrika ging, war er ein verweichlichter Typ, der alle Entscheidungen meiner Mutter überließ. Johannes Boye Lindhardt ist das krasse Gegenteil. Er bietet ihr Auto, Haus und Sicherheit. Er macht ihre Steuererklärung und sorgt dafür, dass der Rasen gemäht und die Regenrinne gereinigt wird. Leider hat er auch eine ziemlich genaue Vorstellung davon, welcher Typ Frau in sein Leben passt, und genau das ist der Knackpunkt. Ich finde, meine Mutter hat sich verändert. Sie ist zu einer Frau geworden, die perfekt zu Johannes passt, aber sie ist nicht mehr sie selbst.
    Ich laufe die Treppen bis ins Dachgeschoss hoch zu meinem Zimmer. Bis morgen früh bin ich offiziell der Einzige, der in diesem Haus wohnt. Ich gehe zum ersten Mal seit Tagen auf Facebook . Nichts Interessantes. Es gibt auch keine Nachrichten vom anonymen Ikarus, der immer noch nur mich, Nick und Liv als Freunde hat. In jenem Sommer, als Jonathan verschwand, tauchte Ikarus plötzlich auf Facebook auf. Einige Wochen lang schickte er uns hin und wieder kryptische Nachrichten über Jonathan. Und Ikarus war auch derjenige, der uns zwei Monate nach Jonathans Verschwinden einen grobkörnigen Handyfilm vom Bahnhof in Aalborg geschickt hat. Er, oder vielleicht auchsie, meinte offenbar, dass Jonathans Freunde glücklich darüber wären, ihn zu sehen – denn auf dem Bahnsteig steht eine große, unscharfe Gestalt, die Jonathan zumindest ÄHNELT . Aber vielleicht war es auch nur ein falscher Hoffnungsschimmer oder ein boshafter Scherz, denn der Typ auf dem Bahnhof ließ sich nicht mit Sicherheit als Jonathan identifizieren.
    In einem kindischen Anfall schreibe ich IDIOT auf Ikarus’ Pinnwand und fahre den PC runter.
    Nick ist mein bester Freund, obwohl wir uns manchmal über längere Zeit nur in der Schule begegnen. Nick hat die Angewohnheit, ständig neue Leute kennenzulernen und in neue Szenen abzutauchen, die ihn in bestimmten Phasen vollständig absorbieren. Aber er kehrt immer wieder zurück. Und erzählt mir, was er erlebt hat. Dann sitzen wir im Café Kastellet, ich über einem Bier, Nick über irgendeinem Alcopop, und er berichtet, warum aus dem Projekt, das ihn letzte Woche noch so sehr beschäftigt hat, irgendwie doch nichts wurde. So ist das unter besten Freunden. Man ist der Catcher, der den anderen wieder auffängt, wenn er gefoult wurde, der ihn wieder auf die Beine stellt und sich seine Klagen anhört. Wenn Nick unterwegs ist und sich neue Freunde und Feinde macht, bin ich nicht dabei. Ich stehe auf meinem Außenposten bereit, um ihn anschließend wieder aufzubauen, denn ich weiß, dass er auch immer für mich da ist.
    „Ich wäre dafür, in die Kødbyen zu gehen.“ Nick wirft sich auf mein Bett. „Gute Drinks, gute DJs, gute Mädels.“
    „Und am anderen Ende der Stadt. Es schneit, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest.“
    „Wir könnten doch einfach mit dem Taxi fahren.“
    „Ich würde lieber mein Rad mitnehmen. Können wir nicht einfach ins Kastellet ?“
    „Nope. Ich will in die Kødbyen.“
    „Im Schneesturm?“
    „Der hört bestimmt gleich auf.“
    „Rasmus und ich fahren jedenfalls mit dem Rad. Dann musst du selbst zusehen, wie du da hinkommst.“
    Jetzt sind Schritte auf der Treppe zu hören und schon steckt Rasmus seinen Kopf durch die Tür: „Na, was machen wir heute?“
    „Wir radeln zur Kødbyen. Nick will unbedingt dahin.“
    „Ist doch auch total cool! Guckt mal, was ich uns mitgebracht habe!“
    Rasmus zeigt uns eine dicke, grüne Flasche mit einem in Goldfolie verpackten Korken.
    „Ist das
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