Spieglein, Spieglein an der Wand
schon wieder alleine fahren.“
„Bist du sicher?“
„Mmh. Es ist ja bald Frühling. Dann bleibt es länger hell.“
„Und was ist mit dem Basketball am Donnerstag?“
„Da nehme ich das Auto.“
„Hast du jetzt einen Führerschein?“
„Fast. Nächsten Mittwoch habe ich die praktische Prüfung. Und ich gehe davon aus, dass ich sie bestehe.“ Für den Bruchteil einer Sekunde huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Dann ist es wieder verschwunden.
„Kannst du dir dann das Auto deiner Eltern leihen?“
Liv nickt und klopft mit ihrem Fahrradschlüssel auf den weißen Zaun. Sie zögert. „Mateus … wegen Juliane …“
„Was ist mit ihr?“
„Ich glaube nicht, dass sie …“
Oh doch, sie ist interessiert. Dafür würde ich fast eine Garantie ausstellen. Nicht, weil ich solche Zeichen besonders gut deuten könnte, sondern weil ich das Gegenteil nur zu gut kenne. Ich weiß, wie sich Mädchen benehmen, wenn sie es eilig haben, von mir wegzukommen, und Juliane ist nicht so.
„Sie steht nicht auf Jungs“, murmelt Liv.
„Bitte?“
„Du weißt schon, was ich meine.“
„Nee, weiß ich nicht.“
„Es gibt Gerüchte darüber.“
„Es gibt viele Gerüchte.“
„Also, Juliane hatte noch nie einen Freund oder so.“
„Und deswegen soll sie automatisch lesbisch sein?“
„Ich sage ja nur, was ich gehört habe.“
Liv ist eifersüchtig. Endlich. Das freut mich mehr als alles andere an diesem Abend.
Ich setze mich in Bewegung. „Wir sehen uns am Montag.“
Liv sieht mich mit einem Blick an, den ich wiedererkenne. Jonathan hat auch immer so geguckt, wenn ich ihm leidtat, weil ich mich wieder mal unbeirrbar in ein Mädchen verknallt hatte, das nichts von mir wissen wollte. Leider hatte er damals immer recht.
27. Februar
Ein Riesentriumph gegenüber Liv, die nicht akzeptieren kann, dass ich weitergekommen bin – denn wer ruft mich zwölf Stunden später an?
Juliane. Das Mädchen, das angeblich nicht auf Jungs steht.
Wir fahren in die Innenstadt und trinken Bier in einer stickigen Kneipe in der Nähe von Gammel Strand. Nach ein paar Stunden laufen wir weiter die Strædet entlang. Ich habe keine Ahnung, wo wir hingehen, aber es ist mir auch egal, denn ich habe gerade ihre Hand genommen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir zwei Schritte vorangehen können – und diesmal vielleicht keinen zurück. Dieser Augenblick in einer regennassen Seitenstraße dauert nur ein paar Sekunden an, dann lässt sie meine Hand los: „Komm, wir gehen da rein.“
Wir haben uns Bier geholt und einen Tisch gefunden, als mir auffällt, dass ich schon einmal hier war. Wir sind im Close . Ich habe mich davon täuschen lassen, dass heute so viele Frauen hier sind.
„Warum wolltest du denn hierhin?“
„Weil ich hier öfter hingehe.“
„Okay.“
„Mateus, da ist etwas, was ich dir sagen muss.“ Der hässlichste Satz, den unsere Sprache zu bieten hat, plumpst unschön zwischen uns auf den Tisch. „Du bist wirklich nett, aber …“
„Aber was?“, frage ich etwas zu hart. „Du stehst vielleicht nicht auf Jungs?“
„Ganz genau.“
Einfach so. Julianes schöne Augen sehen mich unverwandt an und sagen Nein zu all dem, was wir gemeinsam erleben könnten.
„Und da bist du dir ganz sicher?“
„Ja, und zwar seit ich in der neunten Klasse war.“
„Also schon seit vielen, vielen Jahren!“, sage ich und hasse den Sarkasmus in meiner Stimme. Er lässt mich wie einen Menschen klingen, der gerade verletzt wurde. Was soll das bitte schön auch für ein neuer Trend in meinem Leben sein, dass sich plötzlich alle, die ich kenne, als Homos outen!
„Ich finde nicht, dass uns das daran hindern sollte, befreundet zu sein.“
Ich hätte Lust zu sagen, dass ich genug Freunde habe, halte aber meinen Mund.
„Ich hoffe, dass du trotzdem im Partykomitee bleibst. Rasmus und ich finden es total super, dass du dabei bist.“
Das Problem ist nur, dass jetzt das Gleichgewicht im Komitee gestört ist. Vorher waren wir ein potenzielles Paar und ein Homo. Jetzt sind wir zwei Homos und ein idiotischer Hetero, der rein gar nichts kapiert, wenn man es ihm nicht buchstabiert.
Juliane legt ihre Hand auf meinen Arm. „Haben wir jetzt ein Problem?“
„Wer?“
„Du und ich. Haben wir jetzt ein Problem?“
Ich hole tief Luft und lasse die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft beim Ausatmen aus mir entweichen. „Nein, es ist okay. Wenn du ein paar Runden schmeißt.“
„Abgemacht.“
Ein paar Promille
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