Spieglein, Spieglein an der Wand
in Verbindung gebracht worden. Natürlich könnte es einen Freund geben, von dem ich nichts weiß, aber sie verbringt anscheinend viel Zeit mit Rasmus, und offenbar auch damit, freitagabends französische Filme im Kino zu sehen. Also kann ich mir nicht vorstellen, dass sie eine bessere Hälfte hat.
Der Rest des Partykomitees diskutiert gerade, wer am Freitag den Tresen schmeißt, während ich mir ganz sicher bin, dass zwischen Juliane und mir kleine, elektrische Schläge knistern. Sie beachtet mich nicht, aber hinter ihrer kühlen Ausstrahlung vernehme ich eindeutig ein Zittern.
„Das übernehmen wir!“ Rasmus legt einen Arm um mich und reckt den anderen in die Luft.
„Hey, warte mal. Was übernehmen wir?“
Die Vorsitzende des Komitees, eine aus der Dreizehn mit einem strammen Pferdeschwanz, sieht mich vom Tischende aus an: „Du warst Mathias, oder?“
„Mateus.“
„Okaaay …“ Sie lässt es eine Weile in der Luft hängen. Ein paar Leute aus der Elften kichern. Arschkriecher. „Rasmus und du, ihr übernehmt also den letzten Check der Schule zusammen mit den Wachleuten.“
„Welchen Check?“
„Nach der Party geht ihr zusammen mit den Leuten von der Sicherheitsfirma durch die Schule, um zu gucken, ob irgendwo noch jemand liegt und schläft.“
„Oder Schlimmeres“, murmelt Juliane und sieht mich für den Bruchteil einer Sekunde an. Wahrscheinlich kennt sie den Tratsch über mich und Liv im Bücherlager.
„Sicherheitsfirma?“, frage ich. „Meinst du die Rausschmeißer?“
Die Pferdeschwanz-Domina am Tischende nickt, macht ein Kreuz in ihren Ablaufplan und sieht die Jungen an. „Gut, und wer übernimmt die Klos?“
Rasmus senkt seine Stimme und flüstert mir zu: „Das ist der beste von den Schlussdiensten. Ein paar von den Wachmännern sind richtige Schnitten.“
Ich beschließe, seinen Kommentar zu ignorieren. Ich kann ihm genauso gut gleich deutlich machen, dass ich keine Lust habe, mit ihm über irgendwelche Typen zu reden. „Ich kann nicht. Ich muss nach der Party sofort gehen.“
„Ach, come on …“
„Ich habe noch eine Verabredung, die ich nicht mehr rückgängig machen kann.“
„Was denn für eine Verabredung?“
Julianes kühle, grüne Augen sehen mich an. Sie darf auf keinen Fall wissen, dass ich den Bodyguard für das Mädchen aus dem Bücherlager spiele.
„Diesmal musst du da allein durch“, flüstere ich Rasmus zu, der demonstrativ seufzt.
Plötzlich beugt sich Juliane vor und unterbricht die Vorsitzende: „Veronica, können wir nicht eben noch kurz die Frühjahrsparty besprechen, bevor wir Schluss machen?“
Die Domina, die offenbar Veronica heißt, zieht die Augenbrauen hoch: „Ja aber, das erklärt sich doch von selbst. Es sind immer die Zwölfer, die sich um die Show kümmern müssen. Das heißt also ihr drei. Ihr könnt ja nächstes Mal schon mal eine vorläufige Liste mit den Beiträgen vorlegen, die ihr bringen wollt. Über die Technik müsst ihr mit dem Hausmeister reden, und wenn es um irgendwas mit Nackten geht, muss man das immer erst mit dem Rektor absprechen.“
„Aber es könnte doch sein, dass irgendjemand jetzt eine Idee für einen Beitrag hat“, sagt Juliane.
Veronica zeigt auf sich selbst: „Letztes Jahr hatten wir das an der Backe, dieses Jahr seid ihr dran. Leute, ich muss meinen Zug kriegen, also Schluss für heute. Wir sehen uns am Freitag.“
Domina Veronica verlässt die Sitzung zusammen mit ihren Schergen. Wer weiß, wen sie heute noch alles in die Mangel nehmen will.
26. Februar
Die Frühjahrsparty findet jedes Jahr im April statt. Sie wird traditionell mit einer großen Unterhaltungsshow eröffnet, zu der die meisten kommen – hauptsächlich, um bloß nichts zu verpassen. Gerüchte über die Bühnenskandale der letzten Jahre berichten von Stripnummern, plötzlichem Erbrechen, demütigenden Parodien, Enthüllungen über sexuelle Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern, und in einem besonders berühmten Fall von einer Physikshow, die mit einer Explosion, zwei Verletzten und einer sechsstelligen Schadenssumme endete. Meistens ist die Veranstaltung jedoch nicht so ereignisreich, eigentlich sogar langweilig. Der Unterhaltungswert besteht hauptsächlich darin, den Leuten dabei zuzusehen, wie sie sich blamieren. Jedes Jahr singt der Chor des Gymnasiums ein paar Lieder und auch an den Schulorchestern und Theatergruppen kommt man nicht vorbei. Es gibt immer eine oder zwei Bands, die sich präsentieren müssen, und Einlagen von
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