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Spieglein, Spieglein an der Wand

Spieglein, Spieglein an der Wand

Titel: Spieglein, Spieglein an der Wand
Autoren: Ina Bruhn
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kennengelernt und hatte auch keine Lust dazu. Insgeheim war ich wohl auch ein bisschen eifersüchtig, weil sie so schnell zu Livs engster Vertrauter wurde.
    Liv tut etwas, was sie noch nie getan hat. Sie hakt sich bei mir ein. Es wirkt merkwürdig altmodisch, wie zwei alte Tanten beim Strandgang. Aber gleichzeitig fühlt es sich auch gut an.
    „Wo wart ihr denn gestern?“, fragt Liv.
    „Erst in der Kødbyen. War nicht so doll. Und dann weiter in so ’nen Laden, der Close heißt.“
    „War das Rasmus’ Idee?“
    „Woher weißt du das?“
    „Weil er schon mal davon erzählt hat.“
    „Es ist eine Schwulenbar.“
    „Ja, klar.“
    Wie ein Echo von Nick gestern Nacht. Ja, natürlich geht Rasmus in eine Schwulenbar!
    „Hat er sich vor dir auch geoutet?“
    „In gewisser Weise schon. Aber das ist nichts, was du überall verkünden solltest. Er hält sich da lieber ein bisschen bedeckt.“
    „Den Eindruck hatte ich aber nicht. Mir gegenüber war er letzte Nacht ziemlich direkt.“
    „Mit dir ist das auch was anderes, Mateus. Er vertraut dir. Du hast eben kein beschränktes Weltbild. Im Gegensatz zu anderen. Du weißt schon, wen ich meine.“
    „Die Typen aus dem Abijahrgang. Hat er Angst vor denen?“
    „Nee, aber er findet wohl einfach, dass es sie nichts angeht. Also solltest du es nicht überall rumerzählen.“
    Ich bin kurz davor zu sagen, dass Rasmus dann ja auch etwas diskreter auftreten könnte, was seinen Kleidungsstil und sein Verhalten angeht, wenn er unerkannt bleiben will, aber ich sehe Liv an, dass ich besser nicken und ihr recht geben sollte. Bella stürmt auf uns zu. Liv lässt meinen Arm los und tätschelt sie. Ich will ihr ebenfalls einen liebevollen Klaps geben, doch im selben Moment springt Bella hoch und kommt gegen meine Hand. Ich stoße einen lauten Schrei aus und die Hündin weicht erschrocken zurück.
    „Was ist denn mit deiner Hand passiert?“
    „Nichts. Ich bin nur heute Nacht irgendwie auf das Handgelenk gefallen.“
    „Zeig mal her.“
    Diesmal protestiere ich nicht. Liv darf meine Hand natürlich zu jeder Tages- und Nachtzeit anfassen.
    „Die ist ja wohl verstaucht, Mateus. Wollen wir nicht zum Notarzt fahren?“
    „Das ist nicht nötig.“
    „Doch, komm schon. Wir bringen Bella kurz nach Hause und dann begleite ich dich.“
    Nie im Leben würde ich etwas für eine schlechte Idee halten, wenn Liv anbietet, mich zu begleiten.

22. Februar
    Eine große Gruppe eifrige Elftklässler, fünf Wichtigtuer aus der Dreizehn und ganze zwei Leute aus meinem Jahrgang. Ich bin kurz davor, wieder umzudrehen, als Rasmus mich erblickt und mich mit übertriebenem Armrudern zu sich winkt. Keine Chance, unbemerkt abzuhauen. Ich lasse mich also auf einen Stuhl zwischen Rasmus und einem Mädchen aus unserem Jahrgang nieder.
    „Juliane, das ist Mateus, von dem ich dir schon erzählt hatte.“
    Sie war mir schon vorher aufgefallen. Rasmus und sie gehen mittags oft zusammen essen, und ich habe die beiden auch schon auf Partys wild miteinander tanzen sehen.
    „Hallo Mateus.“
    Ein paar grüne Augen sehen mich an. Juliane wirkt etwas reserviert und trotzdem mag ich sie sofort. Auch, weil sie meinen Namen gleich beim ersten Mal richtig sagt. Sie gibt mir die rechte Hand und ich reiche ihr meine linke.
    „Was hast du denn mit deiner Hand angestellt?“
    „Rugby gespielt“, sage ich.
    Rasmus sagt glucksend: „Er hat sich das Handgelenk am Samstag bei einer Schlittenfahrt verstaucht, die JEMAND verpasst hat, weil JEMAND lieber ins Kino wollte, um einen französischen Schmalzfilm zu sehen.“
    Am Tischende eröffnen die Dreizehner die Sitzung und Juliane lässt meine Hand los. Sie ist ziemlich hübsch. Etwas kribbelt in meinem Magen, eine Neugier darauf, dieses Mädchen näher kennenzulernen. Ein solches Kribbeln habe ich schon lange nicht mehr gespürt. Und die Lust will auch mitspielen. Sie hat etwas gesehen, das ihr gefällt, und jetzt regt sie sich da unten. Ich rücke mit dem Stuhl ganz nah an den Tisch heran.
    „Jetzt, wo er erst mal aufgetaucht ist“, flüstert Rasmus Juliane zu, „entkommt er uns nicht wieder.“
    „Ich habe doch nur überlegt …“
    „Nix da, wer kommt, der bleibt. Wir brauchen dich.“
    Juliane lächelt. Auf diese Lippen könnte man nur zu gut einen Kuss platzieren. Sie sehen aus, als wären sie wie für diesen Zweck gemacht. Ich gehe im Kopf schnell den Schulklatsch der letzten Zeit durch. Soweit ich mich erinnere, ist Juliane nicht mit irgendwelchen Eroberungen
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