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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer
Autoren: Colin Greenland
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der Alte und packte sie beim Handgelenk und zerrte sie zu dem Block, wo bereits zwei Tote lagen. Die beiden anderen kollerten lauthals, wollten sie auf keinen Fall loslassen, umarmten sie und traten sich dabei gegenseitig auf die Füße. Sie waren Palerner, die sogenannten »Wolligen Trampel«, von allen verabscheut: das heißt, von allen anständigen rotblütigen Menschen, die ihnen nicht schon seit Monaten in den Arsch krochen, um sich bei ihnen einzuschleimen, nur weil ihr Heimatplanet Palernia hieß und zufällig um Proxima kreiste. Die Palerner, gierig, ungeschickt und destruktiv, waren für alle Probleme und Ärgernisse verantwortlich, unter denen anständige rotblütige Menschen an Bord zu leiden hatten. Die Palerner sowie aufdringliche Vespaner und boshafte Schranten und diebische Altairer. Man brauchte nur einen einzigen Palerner zu sehen - in Wahrheit fünf, weil sie zu feige waren, allein herumzulaufen -, dann wusste man, wie ekelhaft sie waren. Sie hatten diese blöden, gequollenen Visagen und waren so plump, dass man nur zuschlagen wollte, zuschlagen und zuschlagen und zuschlagen. Die Galaxis würde es einem danken, wenn man sie von diesen Trampeln befreite.
    Der Gesang schwoll an. Die Ritter der Reinheit wetteiferten bei ihrer Arbeit. Sie hatten den Besten für diesen Job engagiert. »Hi-hi-hi! Sie will nicht, willst du nicht?«, kicherte der Henker.
    Es gab wieder diesen Luftzug, die Feuer qualmten. Der Alte schaltete die ringförmige Leuchtröhre ein, die um seinen Rollstuhl lief. In ihrem Schein sah er die stöhnenden und protestierenden Palerner, die Pfoten, die ihn abwehren wollten. Sein drittes Opfer trällerte in Panik. Die schwache Beleuchtung zeigte
ihr die regungslosen Körper ihrer beiden Lebensgefährten, zusammengesackt in dampfenden schwarzen Blutlachen. Sie schüttelte den Kopf, saugte an ihren Lippen, pisste und sabberte unkontrolliert, als die Kapuzenträger sie kurzerhand zum Block schleppten. »Verdammt, was für eine Sauerei! Hier, los …«
    Doch die Frau wollte sich nicht hinlegen. Sie bockte und trat. Sie war nicht stark, aber sie war sperrig, und ihre Wolle war fettig. Es war, als wolle man ein Schaf bändigen, das von Amphetaminen in den Wahnsinn getrieben wurde.
    »So, jetzt aber! Wär ja noch schöner …«, murmelte der Alte und löste das Magnetkissen aus, das die Metallmanschette mit dem verwelkten linken Arm ein Stück weit von der Armlehne hob. Er benutzte die Manschette, um einen Hebel zwei Kerben nach rechts zu verschieben. An der Seite des Rollstuhls glitt eine Luke auf. Aus dem Inneren entfaltete sich ein ausbalancierter Arm und zielte mit den pendelnden Bewegungen einer Schlange auf den Hals der sich wehrenden Frau. Der Arm endete in einer abgewinkelten Spritze, die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war.
    Der Rest des palernischen Quintetts versuchte, unausgesetzt schnatternd vor Empörung und Entsetzen, die Augen zu verschließen und sich abzuwenden. Die glitzernde Spritze schwang einen Augenblick aus in der rauchigen Luft, dann schlug sie zu, durchbohrte das dicke Fell und entlud ihren Inhalt.
    Mit einem hohen, erstickten Schrei verkrampfte sich das dritte Opfer und drosch mit Armen und Beinen. Die knochigen Fersen trommelten auf den Block. Die Zelebranten in ihren Kapuzen sangen. Die Frau war tot.
    Im nächsten Moment änderten sich die Lichtverhältnisse. Durch die weiten Oberlichter drang plötzlich eine glühende Röte, wie der Widerschein einer fernen Feuersbrunst. Dann
barst und flutete diese Rotglut in das große Amphitheater, bis alles, aber auch alles in einer karmesinroten Flüssigkeit badete.
    Der Gesang riss ab.
    »Mein lieber Mann«, krächzte der Alte. »Wa …? Wa-wa-was …?« Die Kopfstütze seines Gefährts surrte, passte sich an. Er blickte nach oben. Hinter den Oberlichtern des Merkur-Palastes schwebten zwei riesige rote Glutbälle. Sie starrten aus der tiefen Schwärze des Alls herunter wie die lodernden Augen einer bösen Gottheit. Herunter auf den Greis. Ihm war, als amüsierten sie sich über seine Ambitionen und seien gespannt, was er als Nächstes tun würde.
    In seiner Ganzkörperprothese aus Metall und Kunststoff schlug ein Herz, das schrumpelig und schwarz wie eine Backpflaume war. Es schauderte, zog sich zusammen und entspannte sich nicht mehr.
    Auf dem Armaturenbrett des Rollstuhls blinkten Warnleuchten. Der Greis sah nicht hin. Er starrte in die riesigen roten Sonnen. Die schlaffen Lippen sprangen auseinander und entließen
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