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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer
Autoren: Colin Greenland
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die sich Soi aus den Zähnen gepuhlt hatte. Der Boden klebte von Cola und alkoholischen Getränken, die Sitze starrten von Haaren, die Tabea, Schranten, Altairer und Leute mit flauschigen Mänteln hinterlassen hatten. An Wänden und Fenstern klebten Werbesticker für Bier und Munition. Vom Spiegel baumelte ein Minikeck.
    Sarah Zodiak saß vorne mit Xtaska auf dem Schoß. Sie sah sich immerzu nach Tabea und der Gefangenen um.
    »Du hast nie gesagt, dass du eine Schwester hast«, beklagte sie sich.
    »Fang nicht damit an«, murmelte Dodger; aber es war sinnlos.
    »Hättest du was gesagt, dann wären wir schon vor Jahren dahintergekommen.« Sie schien sich zu ärgern, dass die Lösung des Rätsels so einfach war.
    Angela lächelte sie liebevoll an. »Swing low sweet chariot …« , sang sie leise.
    Man konnte den Hass und das Misstrauen rings um Angela spüren. Alle wussten inzwischen, dass man fünfzig Lichtjahre über das Ziel hinausgeschossen war und diese Tatsache Angela zu verdanken war.
    Kenny und seine Jungs ließen weder die Straße noch Tabea aus den Augen. Der Apotheker bedrängte sie, etwas zu trinken, das nach abgestandenem Wasser roch. Unentschlossen wechselte Odin von seinem auf ihren Schoß.

    Sie schob die Katze fort und auch die Hand mit dem Fläschchen. »Still jetzt!«, rief sie. »Alle mal den Mund halten!«
    Sie beobachtete den AV-Schirm. Ihr war, als hätte sie für eine Sekunde das Gesicht ihrer Schwester gesehen.
    Da war es wieder.
    »Habt ihr gesehen?«, fragte sie.
    »Das war Angela«, sagte Sarah.
    Zu ihrer Schwester sagte Tabea. »Steckst du dahinter?«
    Angie streichelte die Katze. Sie schüttelte langsam und feierlich den Kopf. »Diese Einheit ist n-n-nicht auf Sendung.«
    Soi schlug auf die Bremse. Der Van kam kreischend zum Stehen. »Spenst!«, schrie sie und zeigte durch die Windschutzscheibe.
    Käpt’n Jute war auf den Füßen und im Mittelgang, hing zwischen den Vordersitzen und starrte in den Tunnel.
    In der Straßenmitte stand das Bild eines kleinen, weißen Mädchens, langes, blondes Haar, blaues Kleidchen, weißes Schürzchen.
    Sie sauste auf sie zu wie eine Drohne auf Gleisen. Kurz vor dem Van blieb sie stehen. Mit einem verdrossenen Lächeln sah sie durch die Windschutzscheibe. Das Audio-Rauschen hörte abrupt auf.
    »AH, KÄPT’N«, sagte eine warme, ruhige Stimme. »DA BIST DU JA.«

36
    Entlang den stromlosen Vergnügungsarkaden der Präzentralregion waren die Leuchtreklamen erblindet, die Röhren zerbrochen. Die großen Türflügel des Merkur-Palastes hatten sich
auf halbem Weg festgefahren. Außen und innen hatte sich Müll angesammelt, Haarbüschel und Knochen. Die Luft war dünn, so dünn wie faule Gaze.
    Das düstere Amphitheater lag verwaist da. Die Esstische waren fort, zertrümmert, gestohlen oder verbrannt. Die weiten Oberlichter, eingelassen, um Stammgästen das orbitale Diadem des terranischen Gestrüpps zu zeigen, hatten lange in das verschwommene Nichts des Hyperraums geblickt. Jetzt war das »Glas« blind von Rauch und Ruß. Auf dem zentralen Podium, auf dem berühmte Entertainer aufgetreten waren, brannten Abfallfeuer. Dazwischen lauter Kapuzengestalten, die obskuren Dingen rings um einen Altarblock nachgingen. Der Feuerschein waberte auf ihren Kutten und auf den Bannern, die sie aufgestellt hatten, um ihrem Ideal der Reinheit zu huldigen. Der Feuerschein griff ein Dutzend Schädel heraus, die an einem Pfahl hingen.
    Noch ein Schrei zerriss die Luft, lang und polyphon, voll Qual und Entsetzen und Endgültigkeit, und die Zelebranten schrien einstimmig »Ha!«
    »Mein lieber Mann«, hörte man eine Fistelstimme sagen, »die war gut!« Inzwischen stimmten die Ritter der Reinheit etwas Tiefes und Packendes an, das voller drohender Bassharmonien war. Die Fistelstimme gehörte dem amtierenden Henker, einem alten, alten Mann, dessen offenkundige Gebrechen ihn nicht im Geringsten hinderten, die Opfer entschieden und mit Elan ins Jenseits zu befördern. »Wer ist die Nächste?«
    Die Flammen der Abfallfeuer wurden von einer schwachen, fauligen Drift mitgenommen, dass man meinen konnte, die restliche Luft im Merkur-Palast sei dabei, sich durch ein winziges Leck zu verabschieden. Mit der steifen Rechten drehte der Alte seinen Sauerstoffspender auf und hielt das Mundstück in die Kapuze.

    »Ich hol uns’ne Neue!« Der Hightech-Skooter greinte zu den Opfern hinüber, deren Bewegungsfreiheit durch Fußfesseln stark eingeschränkt war. »Dann nehmen wir mal dich«, sagte
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