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Sonne über Wahi-Koura

Sonne über Wahi-Koura

Titel: Sonne über Wahi-Koura
Autoren: Anne Laureen
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jetzt war es hier wärmer als im Hochsommer in Deutschland.
    Doch nicht nur die Hitze, die sich durch ihr dunkles Kostüm noch zu verstärken schien, machte ihr zu schaffen. Die Gerüche von Fisch, Seetang, Motorenöl und Schweiß versetzten ihren Magen in Rebellion.
    Geht es denn nicht schneller voran? So lange haben wir nicht mal gebraucht, um uns einzuschiffen, dachte sie.
    Im Gegensatz zu dem recht komfortablen Dampfer, der sie nach Auckland gebracht hatte, ähnelte die White Lily eher einem größeren Fischkutter mit Passagierkabinen. Die vergleichsweise kurze Strecke bis Napier hatte sich wie eine Ewigkeit angefühlt, und Helena freute sich darauf, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Bis dahin konnte es allerdings noch dauern.
    Als ihr schwindelig wurde, tastete sie mit der freien Hand nach dem Geländer der Landungsbrücke und hielt sich daran fest. Beinahe bereute sie, dass sie das Angebot eines Passagiers, ihre Tasche zu tragen, ausgeschlagen hatte. »Ich bin schwanger und nicht krank«, hatte sie ihm harsch geantwortet. Aber nun schien ihr Gepäck mit jeder Minute schwerer zu werden.
    Als die Menge ins Stocken geriet, erlaubte sich Helena einen Blick nach oben. Die Wolke, die das Schiff zum Hafen begleitet hatte, leuchtete golden über ihnen. Nichts deutete mehr darauf hin, dass die sechs Wochen, die sie auf See verbracht hatten, von ziemlich wechselhaftem Wetter geprägt waren. In der Zeit hatte Helena mit der Seekrankheit zu kämpfen gehabt, die die Mittel des Schiffsarztes kaum lindern konnten.
    Der Ankunft an der neuseeländischen Küste sah sie erwartungsvoll, aber auch unruhig entgegen. Wie wird mich meine Schwiegermutter empfangen? Kann ich hier wirklich ein neues Leben beginnen?, fragte sie sich auch jetzt wieder.
    Als die Landebrücke unter ihren Füßen heftiger schwankte, schob sie die Gedanken beiseite. Die Menge vor ihr bewegte sich wieder. Sorgsam auf ihre Schritte achtend, schloss sich Helena an. Dr. Mencken, den sie vor der Abreise konsultiert hatte, hatte ihr geraten, Stürze zu vermeiden, um keine Fehlgeburt zu riskieren.
    Der Fischgeruch wurde unerträglich, als Helena den Kai erreichte. Hier war der Lärm ohrenbetäubend. Rufe von Marktschreiern mischten sich mit den Stimmen der Ankommenden und lautem Begrüßungsjubel, der einem Paar galt, das offenbar von der Hochzeitsreise zurückkehrte. Eine Mitreisende, die Helena an Bord kennengelernt hatte, versuchte, ihre siebenköpfige Kinderschar zu bändigen.
    »Alles Gute, Mistress Waxwood!«, rief Helena ihr zum Abschied zu und winkte.
    Die Angesprochene erwiderte die Geste, bevor sie einem hochgewachsenen Mann in die Arme fiel. Es war ihr Ehemann, der in Neuseeland Arbeit gefunden und die Familie endlich zu sich gerufen hatte.
    Der Anblick dieses Glücks versetzte Helena einen leichten Stich. Mein Kind wird ohne seinen Vater aufwachsen müssen, durchfuhr es sie. Als ihr Tränen in die Augen schossen, wandte sie sich schnell ab. Neugierigen Mitreisenden hatte sie erzählt, dass der Vater ihres Kindes in Neuseeland auf sie warten würde. Glücklicherweise hatte sie bei der Überfahrt eine Einzelkabine gehabt, in der sie ungestört um Laurent trauern konnte.
    »Mistress de Villiers?«
    Helena wandte sich um. Hinter ihr stand ein mittelgroßer, etwas gedrungener Mann mit dunkler Haut und dichtem schwarzen Haar. Er trug einen dunklen Anzug mit tadellos gestärktem Hemd und Krawatte. Fragend musterte er sie.
    »Ja, die bin ich. Helena de Villiers.«
    Der Mann verneigte sich kurz. »Mein Name ist Didier. Ich bin der Kutscher Ihrer Schwiegermutter. Sie hat mir aufgetragen, Sie abzuholen.«
    Helena atmete erleichtert auf. Trotz Ankündigung hatte sie nicht zu hoffen gewagt, dass man sie tatsächlich abholen würde. »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Didier.«
    Helena reichte dem Mann forsch die Hand, worauf sie einen verwunderten Blick erntete. Unsicher zog sie die Hand wieder zurück. Offenbar war es hier nicht Brauch, Bedienstete per Handschlag zu begrüßen.
    »Ist das Ihr ganzes Gepäck?« Der Kutscher deutete auf die Tasche in ihrer Hand.
    Helena bejahte und reichte sie ihm. Sie hatte nur das Nötigste mitgenommen. Alles andere hatte sie zu Geld gemacht und es in die Säume ihrer Kleider eingenäht.
    »Kommen Sie, ich bringe Sie zur Kutsche. Bis nach Wahi-Koura ist es ungefähr eine Stunde Fahrt. Wir werden noch vor Einbruch der Dunkelheit dort sein.«
    Der Zustand des Landauers, der am Kutschenstand des Hafens
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