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Sonne über Wahi-Koura

Sonne über Wahi-Koura

Titel: Sonne über Wahi-Koura
Autoren: Anne Laureen
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zurückversetzt. Nur hatte die Sonne dort nicht so intensiv gestrahlt.
    Wahi-Koura. Auf der Reise nach Napier hatte ein Matrose Helena diesen Namen mit »goldener Ort« übersetzt.
    Ein passender Name, fand Helena, während sie versonnen ihren Leib streichelte. Hoffentlich wird unsere Zukunft hier ebenso golden wie das Licht.
    Als die Kutsche auf den Hof rumpelte, wurden sie von ein paar Männern neugierig beobachtet. Der Kleidung nach zu urteilen, waren es Winzergehilfen. Helena winkte ihnen zum Gruß zu und betrachtete dann das Herrenhaus, das aus der Nähe noch imposanter wirkte. Sie wunderte sich darüber, dass die Eingangssäulen von deutlich sichtbaren Rissen verunziert waren.
    »Wie ist denn das passiert?«, fragte sie Didier, der auf das Rondell vor der Eingangstreppe zuhielt.
    »Sie meinen die Risse?«
    Helena nickte.
    »Das kommt von den Beben. Wir leben in der Nähe eines Vulkans. Hin und wieder wackelt hier die Erde.«
    Sie muss gewaltig gewackelt haben, dachte Helena beunruhigt, als die Kutsche anhielt.
    »Da wären wir, Madam!« Didier sprang vom Kutschbock.
    Helena hatte keinen großen Empfang erwartet. Aber als niemand zu ihrer Begrüßung vor die Tür trat, wurde sie unruhig. Rechnete ihre Schwiegermutter noch nicht mit ihrer Ankunft? Oder hatten sie sich durch das Malheur so sehr verspätet, dass sie bereits andere Verpflichtungen hatte?
    Als der Kutscher die Schlagtür öffnete, um Helena hinauszuhelfen, fragte sie: »Ist Madame de Villiers heute nicht zu Hause?«
    Ein Schatten zog über das Gesicht des Kutschers. Er senkte verlegen den Blick. »Madame hat mich angewiesen, Sie zu ihr zu führen, sobald wir eingetroffen sind.«
    Helena schüttelte verwirrt den Kopf. Eigentlich gehört es sich doch für eine Hausherrin, den Besuch an der Haustür zu empfangen. Gilt diese Regel hier vielleicht nicht?, überlegte sie.
    Die Eingangshalle erinnerte Helena an das Entree eines Chateaus. Ein prächtiger Kristalllüster hing wie eine schwere Traube von der Stuckdecke herab. Der Fußboden war aus poliertem Marmor und bildete ein Schachbrettmuster in Rot und Cremeweiß. Was für ein verschwenderischer Luxus!, dachte sie, während ihr Blick die goldgerahmten Gemälde streifte, die Landschaften zeigten.
    Vor einer hohen, mit goldenen Schnitzereien verzierten Flügeltür machten sie schließlich Halt. Der Kutscher klopfte.
    »Entrez!«, rief eine dunkle, energische Frauenstimme.
    Vor Helenas geistigem Auge erstand das Bild einer willensstarken Person, die Ähnlichkeit mit ihrem geliebten Laurent hatte.
    »Madame, ich bin soeben mit Ihrer Schwiegertochter -«
    »Sie soll reinkommen!«
    »Sehr wohl.«
    Helena entging nicht, dass der Kutscher bei dem barschen Ton zusammengezuckt war und sie nun fast mitleidig ansah. Sie strich ihr schwarzes Reisekostüm glatt und straffte sich.
    Über den Schreibtisch gebeugt saß eine schlanke Frau im Witwenkleid. Ihr graumeliertes Haar war im Nacken zu einem strengen Chignon zusammengesteckt. Der Federhalter in ihrer Hand kratzte über einen Bogen Papier.
    »Bonjour, Madame de Villiers.«
    Die Frau, deren Gesichtszüge recht sympathisch und unbestimmt exotisch wirkten, sah nicht auf. Konzentriert schrieb sie weiter. Erst als sie den Satz beendet und mit Löschpapier abgetupft hatte, hob sie den Kopf.
    »Ihre Aussprache lässt zu wünschen übrig!«, sagte sie so beiläufig, als spräche sie vom Wetter.
    Helena ballte die Fäuste. Schweißperlen traten ihr auf die Stirn. Ihr wurde plötzlich übel, aber sie riss sich zusammen. Vor einer Frau, die sie mit solch offensichtlicher Abneigung empfing, wollte sie keine Schwäche zeigen.
    Dennoch brachte sie kein Wort heraus.
    »Man möchte meinen, dass Laurent Ihnen seine Muttersprache beigebracht hat«, fuhr Louise ruhig fort. »Ihr Brief ließ jedenfalls darauf schließen. Aber man hört noch sehr deutlich, dass Sie Deutsche sind.«
    »Daran ist doch nichts Schlechtes, oder?« Wider Willen lächelte Helena unsicher. »Für den Standort seiner Wiege kann kein Mensch etwas.«
    Louises Augen wurden schmal. »Für seine Wiege mag kein Mensch etwas können, wohl aber für den Umgang, den er pflegt.«
    »Madame, ich versichere Ihnen -«
    »Schweigen Sie! Meine Zeit ist zu kostbar für irgendwelche Erklärungen. Laurent gehörte nicht in Ihr Land!«
    »Und wohl auch nicht zu mir, nicht wahr?«, platzte Helena heraus. Sie hatte sich eigentlich beherrschen wollen. Aber die schroffe Behandlung ihrer Schwiegermutter konnte sie nicht einfach so
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