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Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen

Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen

Titel: Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Art Gründungskongress unseres Bundes der Datschenvertriebenen. Wie wär’s, wenn wir uns hier ab heute einmal im Jahr mit Fähnchen und Trachten treffen, um unsere Retro-Romantik zu zelebrieren? Wir sollten revisionistische Brandreden halten, in denen die Gültigkeit des Aufhebungsvertrags für unseren Sommersitz geleugnet wird! Und mit feuchten Augen schwelgen in Erinnerungen an unseren verlorenen Wohlstand: die sommerlichen Tafeln auf der Seeterrasse, die Winterabende am knisternden Kamin mit Blick auf die verschneite Prignitz.«
    Andine spielte einen Nervenzusammenbruch vor. »Du streust Salz in die Wunden!«
    Olli nahm seinen sehr tiefen Eröffnungszug aus der Zigarette, bei dem seine Sehnen am Hals immer stark hervortraten. »Warum ist Konrad nach unserem Rauswurf eigentlich nicht wie Gräfin Dönhoff hoch zu Ross zurück nach Berlin geritten? Das wäre doch mal standesgemäß gewesen. Aber Jörg und Elke, wie ihr da vorhin Noah und alle Habseligkeiten im Bollerwagen durch den Sand gezogen habt, das sah eigentlich auch schon ganz passend aus.«
    Jörg befreite eine aus der Tupperbox gekullerte Bratwurst von ihrer Sandpanade und drehte sich in aller Gemütsruhe eine Zigarette. Der Schrottkünstler überstürzte nichts und reagierte gerne erst nach einer längeren Kunstpause, wenn die Aufmerksamkeit der anderen sich schon fast dem nächsten Thema zuwandte. »Nur, dass uns nicht der Russe vertrieben hat«, sagte er.
    Vertrieben hatte uns aus dem Kleinod an der Rheinsberger Seenplatte – einem Bungalow, zu dem ein eigener Steg, ein Ruderboot, ein großer Garten und eine Terrasse mit Seeblick gehörte – der Eigentümer selbst. Das war Markus Jünemann, ein Industrieller, der aus einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen die Welt mit Explosionsfilteranlagen belieferte. Vertrieben hatte er uns aus einem Paradies, in das wir uns auf unsere spätstudentischen Tage Anfang der Nullerjahre aus Berlin geflüchtet hatten, um eine Pause von der Hauptstadt und dem hochtourigen Leerlauf ihres Nachtlebens zu machen.
    »Wenigstens mal für einen Sommer irgendeine Bleibe irgendwo auf dem Land mieten, nur für die Wochenenden …« Das war Konrads Idee.
    Konrad übernahm immer schon in all jenen Belangen die Vorreiterrolle, für die man bei den linksliberalen Szenegängern, in den von uns bevorzugten Wohnzimmerbars und Klubs, ein Naserümpfen ernten würde: Er leistete sich eine Putzfrau, die für ihn den Abwasch in der WG -Küche erledigte, er argumentierte mit Verve gegen Solarenergie und Windkraft, und er verkündete seine Absicht, einen Landsitz haben zu wollen, zu einem Zeitpunkt, als die meisten drei Kreuze machten, weil sie gerade mal den Absprung aus der Studentenbude mit Kohleofen geschafft hatten.
    »Ganz Deutschland träumt von der Kastanienallee, und wir wollen nur noch weg«, hatte Olli damals unseren Abgang zurechtmystifiziert – und damit eine für viele Jahre im hohen Drehzahlbereich rotierende Selbstvergewisserungsmaschine angeleiert: Dass es ja wohl mehr als angemessen wäre und total Avantgarde sowieso, sich neben dem Leben in der Stadt, in die zurzeit alle Welt strebt und an die auch wir unser Herz verloren hatten, noch eine Landzuflucht zu leisten. Es war ein eigentümliches Gefühl à la: »Wir haben den Hype nicht mehr so nötig«, das seine heutige Entsprechung vielleicht darin fände, sein iPad vor den Augen der Werbeagenturkollegen, ohne eine Miene zu verziehen, in den Altglascontainer zu werfen. So in etwa kamen wir uns damals vor.
    An den ersten Sommerabenden wurden der Garten und die Terrasse mit den obligatorischen, rot leuchtenden Seventies-Bogenstehlampen und Sperrmüllsofas ausstaffiert. »Gutes Mood-Management ist die halbe Miete«, hieß es, und als Audioteppich wurde das damals allgegenwärtige Down-Tempo-Trance-Geschwurbel von Kruder, Dorfmeister und DJ -Konsorten ausgelegt. So ganz ohne den Schick des Berliner Nachtlebens mochte man seine Wochenenden dann auch wieder nicht verstreichen lassen. Das Nightlife mit dem hauptstadtbewährten Formenarsenal der ausklingenden Neunzigerjahre sollte weitergehen, aber zur Abwechslung mal unter dem funkelnden Sternenzelt und an der nach Tannennadeln duftenden Ostprignitzer Luft. Mit wirrem Kopp und bei Vollmond vom Steg in den lauwarmen See zu hechten und sich dann mit triefend nasser Badehose direkt wieder ins Getümmel zu stürzen, darum ging es. Bier trinken, kiffen, mit fiebriger Intensität über Gott und die Welt diskutieren und an improvisierten
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