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Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Titel: Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Segel vor der gigantischen Vision der Insel, die den Horizont einnahm. Aber er sah das alles nur wie einen flimmernden Wirrwarr, unklar und verschwommen, als würden Bilder aus einem Alptraum dutzendfach übereinander auf eine Leinwand projiziert.
    Er wußte, er hätte Entsetzen fühlen sollen, aber Gedanken und Gefühle waren gelähmt, gleichsam in einem zähen Brei gefangen, wo sie Ewigkeiten brauchen würden, um sich zu formen. Charru sah und hörte. Er registrierte Eindrücke wie auf einem Videoband, doch er war nicht fähig, logische Schlüsse zu ziehen. Und er konnte nur mühsam denken: in blitzhaften Vorstellungen und Bildern, die wechselten, ineinander übergingen, sich zu keiner Reihenfolge fügten.
    Das Gefühl des Gefangenseins.
    Der erstickende Impuls, ein unsichtbares Netz zerreißen zu müssen ... Die Unfähigkeit, sich zu bewegen und zu sprechen, obwohl ringsum alles in Bewegung war, alles von unklaren Lauten widerhallte, als würden akustische und visuelle Eindrücke in einem unsichtbaren Behältnis zu einem Verwirrspiel durcheinandergewirbelt ...
    Das Paradoxon, sich selbst gegenüberzustehen.
    Rudimente des Willens, der sich vergeblich auf ein Ziel zu richten versuchte, der sich aufbäumte gegen das Unglaubliche. Charrus Geist konzentrierte sich verzweifelt auf die Abbilder seiner selbst, weil sie die augenfälligste Unmöglichkeit waren. Er sah, aber das Bild verschwamm, sobald er es festzuhalten versuchte. Er sah nebulöse Umrisse, sich auflösende und wieder verfestigende Konturen, und nach einer zeitlosen Ewigkeit war es das Aufleuchten des Kristalls an der dünnen Kette um seinen Hals, das als erstes den Schleier zerriß, um klar in sein Bewußtsein zu dringen.
    Ktaramons Kristall.
    Die Herren der Zeit ...
    Feine, sich zur winzigen Kugel zusammenfügende Ringe funkelten und gleißten, schienen von innen heraus zu strahlen und glitzernde Funken zu versprühen. Funken, deren Reflexe Charrus Augen trafen, sich tief in sein Gehirn senkten und Erinnerungen weckten gleich einer unaufhaltsam steigenden Flut.
    Ktaramon, der Unsichtbare ...
    Ktaramon mit den goldenen Augen, dem schönen, fremdartigen, alterslosen Gesicht ...
    Die Fremden beherrschten die Zeit, konnten sie manipulieren, konnten sich frei auf ihren Schalen bewegen, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ihr Stützpunkt auf dem Mars existierte nicht mehr. Wo waren sie? Überall und nirgends ... Unerreichbar ...
    Aber der Kristall!
    Er leuchtete, lebte, wurde von Energie durchpulst. Jener unbekannten, für die Menschen unbegreiflichen Form von Energie, mit deren Hilfe die Fremden die Zeit beugen konnten, Felder der Vergangenheit oder Zukunft schaffen, Tore zwischen heute, gestern und morgen. Charru wollte die Augen schließen und mit der Hand nach dem Kristall an der dünnen Kette tasten. Es gelang ihm nicht. Nach wie vor konnte er sich nicht bewegen, konnte nicht folgerichtig denken, keine logischen Schlüsse, sondern nur bildhafte Vorstellungen formen. Aber jetzt - immer noch in diesem einen, verzerrten, unveränderlichen Augenblick des Jetzt - fühlte er deutlich, wie etwas von außen in sein Hirn drang, seinen Geist berührte, einen Weg bahnte durch die gespenstische Starre, die das Schiff und die Menschen umklammerte.
    Spinnwebfeine Impulse ...
    Tastende Gedanken, die frei waren von den Fesseln der Zeit und auf seltsame Weise auch seinen Geist davon befreiten. Schon einmal hatte er diese unsichtbaren Fühler gespürt, die sein Inneres sondierten. Damals, als er in dem geheimnisvollen Labyrinth unter der alten marsianischen Sonnenstadt in eine Zeitfalle stolperte, weil die Fremden herausfinden wollten, wer da in ihr Reich eingedrungen war und die Zurückgezogenheit ihres Exils störte.
    Und jetzt?
    War Ktaramon hier? Im Bereich einer anderen Zeitfalle - oder was immer es sein mochte?
    Ktaramon! Hörst du mich, Ktaramon?
    Ein stummer Ruf ... Charru nahm nicht bewußt wahr, daß seine erstarrten Gedanken wieder in Bewegung geraten waren, als habe jener fremde Einfluß das Gefängnis seines Geistes aufgebrochen. Er spürte Ktaramons Gegenwart. Und er hörte ihn, nahm Worte wahr, die nicht an seine Ohren, sondern in sein Hirn drangen, sah Bilder, die sich seinen Augen entzogen hätten, weil sie sich im abstraktesten Raum des Denkens manifestierten.
    Die Schalen der Zeit ...
    Gewölbe und Krümmungen, unsichtbar und unbegreiflich, übereinandergeschichtet und ineinanderlaufend wie die Schalen einer Zwiebel ... Zeitströme, jeder auf seiner
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