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Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Titel: Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Schale verlaufend, sich verästelnd in einen Fächer alternativer Strahlen, den Fächer der Möglichkeiten. Und Räume zwischen den Zeitschalen, unsichtbare Knotenpunkte dort, wo sie zusammenliefen ... Dort, wo es Brücken gab nicht nur für diejenigen, die gelernt hatten, die Zeit zu beherrschen ... wo auch jeder andere aus dem Zeitstrom gerissen und in die Starre geschleudert werden konnte.
    Zeitstarre.
    Ewigkeit.
    Die Panik, die Charru durchzuckte, ließ sofort wieder nach. Denn in diesem Augenblick nahm er auch Ktaramons Stimme wahr - eine hallende, unhörbare Gedankenstimme:
    »Ich kann dich hören, Sohn der Erde ... Ihr seid durch das Zeittor gekommen, aber ihr habt euch in die Zeitstarre verirrt ... Ihr schwimmt neben der Zeit, zwischen den Schalen ...«
    Neben der Zeit, klang es in Charru nach. Gefangen in der Zeitstarre - wie Insekten im Bernstein ...
    »Wir kennen jenes Zeittor auf der Erde,« klang Ktaramons Gedankenstimme. »Wir können euch zurückgeleiten ...«
    Zurück? In die Gegenwart, wo immer noch die tödlichen Flugzeuge kreisten? Oder waren dort inzwischen Tage vergangen, vielleicht Wochen?
    »Nicht in die Gegenwart, Sohn der Erde, denn dort erwartet euch der Tod. Die Zeitstrahlen der Zukunft sind gefährlich, denn sie können erlöschen, da es viele Möglichkeiten gibt und keine davon feststeht. Wir werden euch durch die Schalen der Zeit in die Vergangenheit geleiten, in Sicherheit ...«
    Vergangenheit, wiederholte Charru in Gedanken.
    Wie weit zurück? Tage? Jahre? Die Erde war noch nicht lange wieder von Menschen bevölkert. Sie war verseucht gewesen, eine Hölle, die das Leben verkrüppelte. Sie war ein Feuerball gewesen, Zentrum einer kosmischen Katastrophe, noch früher ein grünes, blühendes Paradies und ...
    Ktaramon! Ktaramon!
    Die Antwort blieb aus.
    Vor Charrus Augen, die eine Ewigkeit lang nichts wahrgenommen hatten, lag wieder jener sich krümmende Schleier, der alles verwischte, verzerrte und vielfach spiegelte. Aber die unsichtbare Verbindung, der dünne geistige Faden riß nicht. Charru konzentrierte sich mit verzweifelter Kraft darauf, und plötzlich glaubte er zu spüren, wie die Dinge ringsum in Fluß gerieten.
    Nein, nicht die Dinge.
    Das unsichtbare, unbegreifliche Medium, das sich in tausend Verzerrungen um sie krümmte. Es war, als stülpe die ganze Umgebung sich um. Das Zerrbild der Insel am Horizont dehnte sich noch weiter aus, schien dünner zu werden, auf seltsame Weise nachgiebig. Palmen und Strand, Riffe und Klippen verblaßten, als werde eine elastische Wand bis zum Zerreißen gedehnt - und dann entstand aus dem Nichts eine Explosion grellweißer Helligkeit, die alles auslöschte.
    Tiefblaues Wasser dehnte sich vor Charrus Augen.
    Der grüne, unregelmäßige Buckel der Insel schälte sich aus dem Hitzegeflimmer. Wind füllte die Segel, trieb das Schiff auf die Lagune zu, und Charru blinzelte in das gleißende Licht der Sonne, die fast im Zenit stand und wie ein zorniges Auge vom Himmel starrte.
    Der Zeitstrom floß.
    Aber er floß auf einer anderen Schale der Zeit, und Charru fragte sich, welcher Abgrund sie von der Welt trennte, die sie verlassen hatten.
    *
    Langsam rollte das letzte Flugzeug auf dem Betonfeld des ehemaligen Raumhafens aus.
    Einen Augenblick dröhnte das Heulen der Triebwerke noch in Cirans Ohren weiter. Reglos blieb er sitzen, den Rücken gegen den glatten Schalensitz gepreßt. Angst nagte an ihm. Nicht nur Angst vor dem Zorn Bar Nergals, dessen Auftrag sie nicht erfüllt hatten, sondern mehr noch Angst vor dem Unerklärlichen, das vor ihren Augen geschehen war.
    Widerstrebend löste Ciran die Gurte, öffnete die Kanzeltür und glitt ins Freie.
    Auch die Augen seiner Brüder spiegelten Furcht. Ihre Gesichter waren bleich, sie hatten Mühe, das Zittern zu unterdrücken. Gemeinsam gingen sie über das Betonfeld auf das langgestreckte, schadhafte Gebäude zu, in dessen Tor Bar Nergal bereits wartete.
    Schwarz wie ein Schattenriß hob sich die hagere Gestalt von dem hellen Viereck ab. Die Brüder warfen sich hastig vor ihrem »Gott« zu Boden. Eine herrische Handbewegung bedeutete ihnen, wieder aufzustehen. Bar Nergals schwarze Augen funkelten erwartungsvoll, und die gleiche fiebrige Erwartung stand in den Gesichtern Charilan-Chis und der anderen Priester.
    »Sie sind tot!« triumphierte Bar Nergal. »Zerfetzt, ertrunken, zertreten unter meinen Füßen wie ...«
    »Nein, Erhabener,« brachte Ciran hervor.
    »Nein? Sie sind nicht tot?«
    Das Feuer in
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