Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Titel: Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt
Autoren: Susanne U. Wiemer
Vom Netzwerk:
... Nicht orientieren ... Kann nicht ... Kann nicht ...«
    Warum nicht? fragte sich Charru mit dem letzten Rest klarer Überlegung, an den er sich in diesem Alptraum klammerte.
    Mühsam hob er den Kopf. Seine Ohren dröhnten immer noch, aber er wußte, spürte genau, daß es nicht mehr das Heulen der Flugzeug-Triebwerke sein konnte, das er hörte. Die Maschinen waren verschwunden. Der Himmel war leer. Vollkommen leer - und Charru brauchte eine unmeßbare Ewigkeit, um zu begreifen, was ihn an dieser Tatsache so in Panik versetzte.
    Der Himmel war leer, weiß, wolkenlos - und ohne Sonne!
    Gleißende Helligkeit schloß das Schiff ein, als sei es zwischen sich. krümmenden Spiegeln gefangen. Und in diesen Spiegeln, hundertfach zurückgeworfen, aus allen Richtungen reflektiert, sah Charru sich selbst, sah Lara, die hinter ihm stand, sah alles, was um ihn geschah - und alles zugleich, als hätten Zeit und Raum aufgehört zu existieren.
    Dutzende von Stimmen schienen gleichzeitig in seinem Schädel widerzuhallen.
    Aber es war Robins Stimme, die er heraushörte, die ihn zu verfolgen schien, die wieder und wieder das eine, gleiche Wort hervorstieß, wie ein Symbol dessen, was mit ihnen allen geschah: Jetzt ... Jetzt ... Jetzt ...
    *
    Ciran wußte nicht, wie lange der Augenblick dauerte, in dem er das Gefühl hatte, daß etwas Unsichtbares seinen Geist berührte.
    Ein flüchtiger Kontakt ... Etwas, das ihn einhüllte und wieder losließ, noch einmal berührte - und zurückstieß. Leichter Schwindel trübte Cirans Blick. Seine Gedanken verschwammen, und einen Herzschlag später fuhr er heftig hoch, weil plötzlich das Funkgerät wieder funktionierte.
    »Ciran!« erklang die Stimme seines Bruders Croi. »Chan! Ciran! Meldet euch!«
    Cirans Augen funkelten auf.
    Er benutzte die Sprache seines Volkes, deren fauchender Klang im Lautsprecher seltsam verzerrt klang. Sein Blick haftete auf den Instrumenten. Den einzigen Moment, in dem seine Konzentration zusammengebrochen war, hatte er vergessen.
    »Ich höre dich, Croi! Was ist?«
    »Das Funkgerät ... Ich bekam keine Verbindung ...«
    »Jetzt klappt es wieder. Ich habe das Schiff gesichtet. In ein paar Sekunden werden wir ...«
    Cirans Stimme brach.
    Bei den letzten Worten war sein Blick unwillkürlich wieder nach unten gewandert, wo das Schiff schwamm, wo es schwimmen mußte. Seine Augen weiteren sich. Scharf sog er den Atem ein, und sekundenlang glaubte er, einen makabren Alptraum zu erleben.
    Das Schiff war nicht mehr da.
    Leer und weit dehnte sich die See unter dem hellen Himmel. Die Inseln waren noch zu sehen, grüne Flecken, groß der eine, die anderen weit entfernt und winzig - aber keine Spur von dem Schiff, keine Spur von den weißen Segeln.
    Ciran glaubte zu träumen.
    Abrupt verringerte er die Geschwindigkeit des Flugzeugs, so daß die Maschine fast ins Trudeln geriet. Nichts änderte sich an dem Bild unter ihm. Seine Hand zitterte, als er das Funkgerät wieder einschaltete.
    »Croi! Chan!« krächzte er. Seht ihr das Schiff noch?«
    »Nein!« rief Chan erregt. »Es ist verschwunden! Einfach verschwunden!«
    »Wir sind darüber hinweggeflogen,« ließ sich Croi vernehmen. »Wir waren abgelenkt wegen des Funkgerätes. Wir müssen umkehren.«
    Sie versuchten es - vergeblich.
    Cirans Augen flackerten, als er die Maschine in eine enge Kehre zwang und wieder nur die endlose, leere Wasserfläche unter sich sah. Kein Schiff! Nicht einmal ein winziges Boot! Der Junge schluckte krampfhaft.
    »Wir können nicht darüber hinweggeflogen sein,« brachte er heraus. »Die Inseln sind immer noch da. Das Schiff war unter uns, und jetzt ist es fort.«
    »Aber ... aber es kann unmöglich so schnell gesunken sein.«
    »Nein,« murmelte Ciran. »Das kann es nicht.«
    »Und wo ist es? Wo?«
    »Ich weiß es nicht,« flüsterte der Junge.
    »Bei den Göttern von den Sternen! Was sollen wir jetzt tun?«
    »Ich weiß es nicht,« wiederholte Ciran mit tonloser Stimme. »Wir müssen suchen. Und wenn wir das Schiff nicht finden, müssen wir zurückfliegen, um es Bar Nergal zu sagen.«
X.
    Charru sah sich selbst, in der Ewigkeit gespiegelt.
    Er sah das Schiff, schwimmend neben der Zeit, außerhalb der Zeit, gefangen in einem Nichts, in dem es weder gestern noch morgen gab und die Ereignisse in sich selbst zurückliefen. Menschen, Gesichter und Dinge verschwammen, schienen hinter dickem, gekrümmtem Glas zu liegen. Charru sah Gestalten und Bewegung. Er spürte das Holz des Schanzkleides und sah die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher