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Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Asketengesicht war grau.
    Er stand aufrecht hinter seinem Schreibtisch und starrte in den Monitor. Ein unregelmäßiges Streifenmuster zog über den Bildschirm. Offenbar waren sämtliche Überwachungseinrichtungen ausgefallen - und das hieß, daß die unglaublichen Nachrichten wahr sein mußten. Der Mondstein zerstört.
    Die Barbaren ausgebrochen - und es mußte immer noch eine erschreckende Anzahl sein, selbst wenn man davon ausging, daß die Trümmer die meisten erschlagen hatten. Ein Stamm von Wilden, einer Katastrophe entronnen, in die Enge getrieben. Ein Sturm, der jeden Augenblick mit Blut und Gewalt über das ahnungslose Kadnos hereinbrechen konnte...
    Jessardin wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und fuhr heftig herum, als Jom Kirrand in sein Büro stürmte, kaum daß er geklopft hatte.
    Kirrand war der Chef der Polizeikräfte von Kadnos. Simon Jessardin hatte ihn noch nie in einem solchen Zustand der Erregung gesehen und vergaß dabei, daß er selbst alles andere als ruhig war.
    »Jom! Seit geschlagenen zehn Minuten scheint alles drunter und drüber zu gehen. Können Sie mir einen vernünftigen Grund dafür nennen, daß es dem Vollzug nicht gelingt, die Lage unter Kontrolle zu bringen?«
    »Ja«, sagte der Polizeichef nach Atem ringend. »Wir können nicht in den Museumssaal eindringen...«
    »Aber das ist doch...«
    »...weil sie den Generalgouverneur haben«, vollendete Jom Kirrand und ließ es sich damit zum erstenmal in seiner Laufbahn einfallen, den Präsidenten der Vereinigten Planeten mitten im Satz zu unterbrechen.
    Jessardin wurde bleich.
    »Sie haben Conal Nord?« echote er tonlos.
    »Ja, mein Präsident. Und sie drohen, ihn zu töten, sobald sich ein Bewaffneter zeigt.«
    Simon Jessardin ließ sich hinter seinen Schreibtisch sinken.
    Ein seltsames Gefühl der Schwäche schnitt durch seine Brust. Conal Nord... Die Barbaren, die auf keinen Fall entkommen durften. Sie würden ihre Geisel gnadenlos töten. Jessardin erinnerte sich an den Haß, den er in Charru von Mornags Gesicht gelesen hatte - den Haß des aufbegehrenden Menschen, der erkennen mußte, daß man ihn zum Sklaven, zum Spielzeug, zum Objekt wissenschaftlicher Neugier erniedrigt hatte. Und jetzt wußten sie es alle, spürten sie alle den ohnmächtigen Zorn gegen die Urheber dessen, was ihnen als grausames Verbrechen erscheinen mußte. Sie würden jeden töten, der ihnen in den Weg kam. Sie hatten keinen Grund, ihre Gegner zu schonen. Sie durften nicht entkommen und über die wehrlose Stadt herfallen, auch nicht um den Preis von Conal Nords Leben.
    Der Präsident preßte die Lippen zusammen.
    Er sah die Entscheidung klar vor sich, die er zu treffen hatte. Aber einen Augenblick fürchtete er fast, sie werde über seine Kraft gehen.
    Bevor er weiterdenken konnte, summte die Sprechanlage auf seinem Schreibtisch.
    Mechanisch drückte er den Knopf und zuckte zusammen, als er die leise, überraschend ruhige Stimme des Venusiers hörte.
    »Hier spricht Conal Nord. Sind Sie über die Situation informiert, Präsident?«
    »Gut, Präsident. Ich bin mir vollkommen klar darüber, daß die Belange eines einzelnen in dieser Sache keine Rolle spielen dürfen. Die Entscheidung...«
    Jessardin faßte sich. »Wir werden versuchen, einen Weg zu finden, Conal. Sehen Sie eine Möglichkeit?«
    »Nein«, sagte der Venusier. Ruhig, obwohl er wissen mußte, daß dieses Nein unter Umständen sein Todesurteil bedeutete. »Aber Charru von Mornag will mit Ihnen sprechen. Er sichert Ihnen zu, daß niemand Sie angreifen wird und daß Sie den Raum ungehindert wieder verlassen können. Ich gebe diese Forderung lediglich weiter, da er es verlangt hat, Präsident. Ich wünsche, daß die Entscheidung ohne Rücksicht auf meine Person gefällt wird.«
    Stille.
    Der Chef des Vollzugs schluckte erschrocken. Simon Jessardin runzelte die Stirn, überlegte schnell und konzentriert.
    »Besteht die Möglichkeit, die Lage zu beruhigen, Conal? Wenigstens für eine Weile?«
    »Ja. Ich glaube...« Jessardins graue Augen hafteten an einem imaginären Punkt an der Wand.
    Sie würden Zeit gewinnen, das zumindest. Er hatte sich noch nie seiner Pflicht als Präsident und erster Diener dieses Staates entzogen. Mit einem tiefen Atemzug straffte er den Rücken.
    »Gut, Conal«, sagte er entschlossen. »Richten Sie Charru von Mornag aus, daß ich in wenigen Minuten im Museum sein werde.«
    *
    Die Stille war gespenstisch.
    Stumm und bleich drängten sich die Menschen an den Wänden,
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