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Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein
Autoren: Susanne U. Wiemer
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hatte, ganz langsam zu den Riesengestalten emporgehoben zu werden.
    Als er seine normale Gestalt zurückerhalten hatte, lag er immer noch auf den Knien und sprudelte Gebete, Bitten und Schwüre hervor.
    Grauen schüttelte ihn und verhinderte, daß er seine Umgebung klar erkannte. Ein paar Akolythen und die Überlebenden des Tempeltals, die hilflos und verwirrt durch den Raum taumelten, sahen ihren Oberpriester wimmernd auf den Knien liegen. Bar Nergal stöhnte auf. In panischem Entsetzen hing sein Blick an den schrecklichen blauen Augen, und als er endlich Antwort bekam, schienen ihn die Worte wie Hammerschläge zu treffen.
    »Schwöre den Treueeid, Bar Nergal! Die schwarzen Götter sind tot, du bist kein Priester mehr. Schwöre, daß du für immer auf die Herrschaft über die Tiefland-Stämme verzichtest!«
    Und Bar Nergals Stimme, dünn und zitternd wie das Greinen eines kleinen Kindes:
    »Ich schwöre... Ich schwöre...«
    *
    Angewidert starrte Charru auf das zusammengesunkene Bündel Elend zu seinen Füßen.
    Sein Blick wanderte weiter, erfaßte die Männer und Frauen, die benommen zwischen den Trümmern standen, schwankend und halb betäubt, und an ihren Körpern hinuntersahen, als könnten sie noch nicht glauben, daß sie wirklich hier waren. Kormak hielt seine Schwester an sich gepreßt. Beryl, der letzte der Sippe von Schun, umfaßte die Schulter des jungen Derek, dessen Vater im Kampf gegen die Priester gefallen war. Jarlon von Mornag umklammerte sein Schwert, sah sich um und schrie leise auf, als er seinen Bruder erkannte.
    »Charru!« Scherben klirrten, als er vorwärts stürzte. In dem jungen Gesicht brannten die Augen. »Charru! Du hast es geschafft! Wir sind frei, frei...«
    Charru nickte nur.
    Frei, klang es in ihm nach. Hundert Menschen in einem verwüsteten Kuppelsaal. Und mehr als hundert lagen tot unter den Trümmern: Männer, Frauen und Kinder. Charru biß verzweifelt die Zähne zusammen. Er hatte es nicht gewollt, hatte es nicht voraussehen können. Die Fremden wären es, die mit ihren unheimlichen Waffen den Mondstein zerstört hatten. Unauslöschlich brannte das Bild in ihm, wie. der rote Glutstrahl in die Kuppel schnitt und die Tempelpyramide in einem Feuerball verging. Ja, sie waren frei. Aber sie hatten einen schrecklichen Preis dafür bezahlen müssen.
    Karstein und Kormak schüttelten sich stumm die Hände.
    Camelo wandte sich ab, und Gerinth trat zu ihm und legte den Arm um seine Schultern. Die Sippe von Landre war ausgelöscht worden. Katalin von Thorn weinte um ihre Mutter und ihre Brüder, und Tanit ging rasch zu ihr, um sie zu trösten.
    So viele hätten Trost gebraucht.
    Und doch konnten sie nicht der Trauer nachgeben, nicht hier und jetzt. Noch waren sie nicht wirklich frei. Hinter den Türen lauerten Männer mit tödlichen Waffen, eine feindliche Stadt umgab sie, für deren Menschen sie nichts anderes waren als wilde Tiere, deren man sich mit allen Mitteln erwehren würde. Noch mußten sie kämpfen, und Charru straffte mit einem tiefen Atemzug die Schultern.
    Sein Gesicht glich einer steinernen Maske, als er sich Conal Nord zuwandte.
    Der Venusier stand stumm an der weißen, schimmernden Wand. Seine Augen flackerten, glitten fassungslos über das Gewirr gläserner blauer Scherben, zerfetzter Leiber, blutgetränkter Steine. Gillon von Tareths Schwert berührte seinen Hals, doch das schien er kaum wahrzunehmen.
    Begriff auch er, welchen Preis die Gefangenen für ihre Freiheit bezahlt hatten?
    Wußte er, daß es nun nichts gab, was sie noch aufhalten konnte - außer dem Tod?
    »Wer hat die Befehlsgewalt in dieser Stadt?« fragte Charru schneidend.
    Der Venusier sah ihn an.
    In den blauen Augen des Barbaren brannte ein kaltes Feuer. Conal Nord wußte, daß dieser Mann nicht nachgeben würde, wußte, daß es sinnlos war, ihm zu sagen, daß außerhalb dieses Raums nur der Tod auf ihn und sein Volk wartete. Der Venusier hielt dem kalten, zornigen Blick stand und hob die Schultern.
    »Der Präsident der Vereinigten Planeten heißt Simon Jessardin«, sagte er leise.
    »Der Mann mit dem silbernen Haar?«
    »Ja.«
    »Kannst du ihn rufen? Dich mit ihm in Verbindung setzen?«
    »Ja, das kann ich.«
    Charru nickte langsam. Immer noch hielt er das Schwert in der Faust. Das Blut auf der breiten Klinge war getrocknet.
    »Ruf ihn hierher«, sagte er hart. »Ich will mit ihm sprechen. Er hat mein Wort, daß ihm nichts geschieht und daß wir ihn unbehelligt wieder gehen lassen.«
X
    Simon Jessardins
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