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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold
Autoren: Jane Nickerson
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beantwortete, versuchte ich den – ja, staunenswerten – Raum, in dem wir saßen, in mich aufzunehmen. Dass mir die Details nicht vorher aufgefallen waren, zeugte von der Macht meines Patenonkels, jeden in seinen Bann zu ziehen. Drei Wände und die Decke waren mit Gestalten aus der Mythologie bemalt. Einige schienen aus der Wand herauszutreten, was mich sehr irritierte, oder mich über M. de Cressacs Schulter hinweg anzuschauen.
    Mein Patenonkel hörte mitten im Satz auf zu reden. »Wie ich sehe, bewunderst du diesen Raum, Sophia. Er heißt ›Himmelssaal‹. Ein passender Name, findest du nicht auch?«
    Â»Er ist wundervoll. Atemberaubend, wenn auch …«
    Â»Wenn auch, was? Was gefällt dir an meinem Himmelssaal nicht? Ich werde es sofort ändern lassen, damit er eher deinem Geschmack entspricht.«
    Ich wurde rot. »Es ist nur – ach, was bin ich dumm –, ich würde mir wünschen, dass die Gestalten mehr anhätten.«
    Sowohl mein Patenonkel als auch seine Haushälterin brachen in schallendes Gelächter aus.
    Â»Und ich hatte so gehofft, dass ich dich mit diesem entzückenden Raum beeindrucken könnte, ich Dummkopf. Dann gefallen dir die rosigen Speckrollen also nicht?« M. de Cressac kniff mir ins Kinn. »Ach, mon ange , du bist eine reizende Unschuld. Soll ich Zeus einen Zylinder und Frack aufmalen lassen? Und Hera einen Witwenschal und eine Haube?«
    Ich zwang mich, zaghaft in ihr Gelächter einzustimmen. »Für Diana vielleicht Reitkleidung?«
    Â»Ja! Genau!« M. de Cressac schlug sich auf den Schenkel. Bald lachte auch ich aus vollem Herzen. Nach unserem gemeinsamen Gelächter war alles entspannter.

Kapitel 2
    BESCHEID WISSEN
    Mein Patenonkel stieß die Tür zu meinem Zimmer auf. Ich spürte seinen Blick auf meinem Gesicht; gespannt wartete er auf meine Reaktion. Ich nahm mir vor, in jedem Fall Entzücken zu heucheln. Dann trat ich ein und brauchte nicht zu heucheln. Offensichtlich sollte ich nicht als bemitleidenswerte, geduldete Verwandte behandelt werden. Ich wandte mich an M. de Cressac und wollte ›Danke‹ sagen, brachte jedoch kein Wort heraus.
    Er nickte lächelnd. Er verstand.
    Eine fantasievolle Unterwasserwelt breitete sich vor uns aus. Das Bett in Form einer schillernden Riesenmuschel stand auf einem Podest. Die samtene Tagesdecke hatte die Farbe schäumender Wellen. Die Bettvorhänge waren in zartem Grünblau gehalten und mit Silberfäden durchwirkt. Außerdem gab es ein Moskitonetz, das über die Pfosten am Fußende gespannt werden konnte. Der Fußboden war aus bläulichem Marmor, poliert und glatt wie Glas. Die Wände dagegen waren weiß getäfelt und in den Nischen standen Statuen von Delphinen und Meeresgöttern. Über dem Kaminsims, der von Meerjungfrauen aus Alabaster gestützt wurde, zog sich ein riesiges Mosaik mit Seesternen, Seegras und anderen Motiven aus der Unterwasserwelt bis zur Decke. Es bestand aus glänzendem blauem, grauem und violettem Perlmutt. Vor dem Kamin stand eine große, ovale Ottomane, überzogen mit weißem Knautschsamt und mit Perlen getuftet.
    Ich hatte mich immer nach Luxus gesehnt und war sofort entzückt von diesem Zimmer, auch wenn meine puritanischen Vorfahren sich womöglich in ihren Gräbern umdrehten. Ich lief von einem wunderschönen Gegenstand zum nächsten und konnte es kaum fassen, dass ich jetzt stolze Besitzerin einer Frisierkommode war, bestückt mit einem Handspiegel mit marmorner Rückseite, Kämmen und Bürsten sowie einer glitzernden Sammlung von geschliffenen Flakons, Tiegeln und Töpfen mit Cremes, Puder und Parfüm. Was würde mein Bruder Harry denken, wenn er mich sehen könnte, wie ich alle diese Schönheitsmittel benutzte? Er hatte mich immer geneckt, ich sei eitel, seit er mich einmal erwischt hatte, als ich mich andächtig im Spiegel betrachtete. Vielleicht stimmte es ja – auf jeden Fall war es herrlich, jung und vom Glück gesegnet zu sein und von meinem Patenonkel zu hören, dass ich meiner Mutter glich, die ›eine Schönheit‹ gewesen war.
    M. de Cressac schien meine Gedanken gelesen zu haben, denn er bemerkte unvermittelt: »Du gleichst deiner Mutter nicht nur in Haarfarbe und Gesichtszügen. Deine Stimme, deine Art, dich zu bewegen, selbst deine Mimik – als hättest du köstliche, geheime Gedanken. Ich habe sie einmal mon rayon de
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