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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold
Autoren: Jane Nickerson
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Mann, der mir je unter die Augen gekommen war.
    Haar und Bart waren schwarz und mit ein paar Silberfäden durchzogen, die ihnen einen fast bläulichen Schimmer verliehen. Seine Gesichtszüge waren fein gemeißelt. Er hatte Lachfältchen um die Augen. Zu meinem Entzücken (und Entsetzen) trug er wie die Piraten kleine silberne Kreolen in den Ohrläppchen. Ich hatte schon immer für Piraten geschwärmt. Er war groß und kräftig gebaut und sein gelbbraunes Leinenjackett saß wie angegossen. Mit der natürlichen Anmut eines Athleten kam er auf mich zu.
    Ich knickste und er verbeugte sich leicht.
    Er nahm meine kleinen Hände in seine großen und blickte wortlos auf mich herunter. Seine Augen hatten die Farbe von Honig.
    Zeit, die auswendig gelernten Sätze loszuwerden. »Ich freue mich, Sie endlich kennenzulernen, Sir. Es ist ausgesprochen freundlich von Ihnen, mich hierherkommen und in Ihrem wunderschönen Haus wohnen zu lassen.«
    Â»Enchanté, Mademoiselle.« Sein Ton war ernst, doch man sah ihm an, dass meine kurze Rede ihn amüsierte. Den Blick weiter auf mein Gesicht gerichtet, führte er meine Hand an seine Lippen und küsste sie.
    Â»Meine – meine Familie lässt herzlich grüßen.«
    Jetzt lachte M. de Cressac lauthals. »Ach, wirklich? Nachdem ich ihnen ihre Schwester entführt habe? Meine kleine Sophia, endlich kommst du zu mir. Lass mich dich anschauen.« Er schob meine Haube zurück, sodass sie an den Bändern auf meinem Rücken baumelte.
    Ich blickte ihm tapfer und ohne zu blinzeln in die Augen, als er mich betrachtete.
    Â» Oui «, bemerkte er leise. »Ja.« Er strich mit der Hand über mein feuchtes, zerzaustes Haar. »Weißt du – nein, woher denn auch? –, dass du, als ich dich das letzte und einzige Mal gesehen habe, noch ein Baby warst und deine liebe Mutter dich im Arm hielt? Sie war krank und starb kurz darauf, war aber immer noch eine Schönheit. Sie hatte etwas Elfenhaftes, so als sei sie nicht ganz von dieser Welt, und ich habe damals schon vermutet, dass du einmal genauso aussehen würdest wie sie.«
    In meiner Familie erzählte man sich, dass ich M. de Cressac als mageres, schreiendes kleines Kind, das Gesicht so rot wie das Haar (die Beschreibung meines Bruders Harry), verzaubert hätte, obwohl sich niemand vorstellen konnte, weshalb. Es muss an meiner Mutter gelegen haben.
    Â»Und – und ist Madame de Cressac auch zu Hause?«, fragte ich.
    Â»Ich bin, leider, leider, Witwer.«
    Ein Witwer. Mein Vater hatte gesagt, Madame de Cressac sei Französin. Eine wunderschöne Französin. »Das wusste ich nicht. Es tut mir so leid. Papa hätte … er hätte es uns sagen sollen.«
    Â»Wahrscheinlich wusste er es selbst nicht. Leider hatte ich mit Martin in den letzten Jahren kaum noch Kontakt.«
    Während mein Patenonkel sprach, walzte eine ältere Frau mit einer unschönen Nase ins Zimmer. Sie trug ein großes Silbertablett und an ihrer Taille klimperte eine Chatelaine mit Schlüsseln und anderen kleinen Gegenständen. Sie blieb stehen und betrachtete mich besorgt und prüfend.
    Â»Ah.« M. de Cressac nahm ihr das Tablett ab. »Mrs Duckworth, darf ich Ihnen mein Patenkind vorstellen, Sophia Petheram. Sophia, Mrs Duckworth ist die Haushälterin hier und ihr Gewicht in Gold wert.«
    Die Dame strahlte zuerst M. de Cressac, dann mich an. Ihre teigige Haut war auffallend großporig. »Sie sind hier herzlich willkommen.« Sie sprach mit britischem Akzent und hatte eine ungewöhnlich hohe Stimme.
    Â»Mrs Duckworthes größte Freude ist es, andere umsorgen zu können«, erklärte M. de Cressac. »Lass sie wissen, wenn du etwas haben möchtest. Sie sorgt dann dafür, dass du es bekommst. Es sei denn, ich erfahre davon und komme ihr zuvor.« Er zwinkerte mir zu. »Wir haben nämlich vor, dich zu verwöhnen.«
    Â»Unbedingt.« Die Haushälterin nickte so begeistert, dass die goldene Brosche an ihrem ausladenden Busen auf und ab hüpfte. »Jetzt setzen Sie sich erst einmal, Miss, trinken ein Glas schöne kalte Limonade und essen etwas. Dann zeige ich Ihnen Ihr Zimmer.«
    Â»Ich komme mit«, meldete sich M. de Cressac. »Ich möchte Sophias Gesicht sehen, wenn sie ihr Zimmer zum ersten Mal sieht.«
    Bei diesem Empfang verflogen meine letzten Zweifel. Ganz offensichtlich verkörperte Mrs Duckworth die
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