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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold
Autoren: Jane Nickerson
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soleil genannt, meinen Sonnenstrahl.«
    Â»Wie gut haben Sie sie gekannt?«
    Â»Nicht so gut, wie ich es mir gewünscht hätte.«
    Â»Wollen Sie mir nicht mehr über sie erzählen? Bis jetzt wollte niemand meine Fragen zufriedenstellend beantworten.«
    Â»Irgendwann. Wenn ich in der Stimmung dazu bin.«
    Ich nahm von dem zierlichen Damenschreibtisch eine Schreibfeder auf. Der Halter war aus Perlmutt und wie eine richtige Feder geformt. Man hatte an alles gedacht. »Sie sind zu gut, Sir!«, rief ich. Er war wirklich zu gut und ich plante, alles zu genießen.
    Er hatte eine stattliche Größe und strahlte mich von oben herab an. »Erlaube mir, großzügig zu sein. Ich habe zu lange ohne meine … Patentochter gelebt.« Bei dem Wort ›Patentochter‹ zögerte er etwas und strich mir mit leichter Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Mrs Duckworth zeigt dir deinen Puderschrank und die Kleiderschränke. Bis Madame Duclos dich mit neuen Sachen ausstatten kann, findest du dort ein paar vorgefertigte Kleider.«
    Â»Für den Moment habe ich bestimmt genug.« Ich hatte das Gefühl, wenigstens ansatzweise protestieren zu müssen. »Schließlich bin ich noch in Trauer um meinen Vater.«
    Â»Ah, in diesem Punkt hoffe ich auf dein Einlenken.« Er legte die Handflächen unter dem Kinn aufeinander. »Dein Vater war mir ein guter Freund. Du weißt, dass er mich als Anwalt vertreten hat, als ich in großen Schwierigkeiten steckte, und ich bin sehr traurig über seinen Tod. Aber ich ertrage es nicht, dich den ganzen Tag in Schwarz durchs Haus huschen zu sehen wie eine traurige kleine Amsel. Willst du mir nicht den Gefallen tun und deine Trauerzeit beenden? Hier wird niemand schief angesehen, weil er die Etikette nicht gewahrt hat. Du kannst deinem Vater auch auf andere Art Ehre erweisen. Du solltest dich an die glücklichen Zeiten erinnern und mir davon erzählen.«
    Â»Ich nehme an, das kann ich machen«, erwiderte ich zweifelnd. Ich wünschte, meine Schwester Anne wäre hier und könnte mir sagen, ob es richtig war. Oder mein ältester Bruder Junius, der es als seine Pflicht ansah, allen gute Manieren beizubringen. Ich wollte die Erinnerung an unseren Vater nicht gering schätzen, aber jetzt hatte M. de Cressac die Stelle meines Vaters eingenommen. Worum er mich bat, entsprach zwar nicht dem Brauch, war aber auch nicht direkt unangemessen.
    Â»Selbstverständlich kannst du das.« Er nickte mir aufmunternd zu. »In einer Dreiviertelstunde werden wir im Speisesaal zusammen zu Abend essen.« Damit verließ er mein Zimmer.
    Mrs Duckworth ging schwer atmend zu der Wandtäfelung neben dem Kamin und drückte auf einen raffiniert versteckten Knopf. Die Vertäfelung öffnete sich leise und gab den Blick frei auf einen Alkoven mit hohen Schränken ringsherum. In der Mitte stand eine Sitzbadewanne in Form einer großen Muschel. Wenn ich darin stand, müsste ich Venus gleichen, wie sie auf ihrer Muschelhälfte dem Meer entsteigt.
    Plötzlich überkam mich die Erschöpfung wie eine Flutwelle. Ich wollte nichts lieber, als jetzt sofort ein Bad nehmen und dann gleich ins Bett gehen. Aber ich durfte an meinem ersten Abend nicht ungesellig sein.
    Die Haushälterin zeigte Mitgefühl. »Das ist eine ganze Menge zu verkraften, nicht wahr? Ich habe versucht, Master Cressac klarzumachen, dass Sie vielleicht ein leichtes Abendessen auf Ihrem Zimmer einnehmen und dann gleich zu Bett gehen möchten, aber er wollte nichts davon hören. Wenn er sich auf etwas freut, lässt er sich nicht umstimmen. Wie oft habe ich, als er noch klein war, zu ihm gesagt: ›Aber, aber, Master Bernard, Vorfreude ist die schönste Freude‹, doch er wollte nie auf mich hören.«
    Â»Sie waren schon hier, als Monsieur de Cressac noch ein Kind war?«
    Â»Nicht hier, aber ja, ich war sein Kindermädchen drüben in Frankreich. Mein Vater war mit Napoleon im Krieg und Mutter und ich sind ihm gefolgt, zuerst nach Portugal und dann nach Südfrankreich, wo die de Cressacs mich einstellten. Sie wollten eine englische Kinderfrau, damit Master Bernard mit Französisch und Englisch aufwachsen würde.«
    Ich konnte mir diese gemütliche, einfache Frau viel besser an einem Kaminfeuer in einem behaglichen englischen Cottage vorstellen als in fremden Ländern.
    Â»Sein Englisch ist perfekt«, lobte
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