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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold
Autoren: Jane Nickerson
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flatterte mit lautem Krächzen und Flügelschlagen aus den Ästen.
    Es war kein schlechtes Omen.
    Die Kutsche hielt vor der Freitreppe und der ausgesprochen große Diener sprang herunter, um mir beim Aussteigen zu helfen. Sowohl der Kutscher als auch der Diener waren Afrikaner, wirkten aber in ihren Jacken aus glänzendem blauem Samt wie elegante Europäer.
    Sicher schrumpfte ich nicht wirklich, als ich die Steinstufen zu der großen, eisenbeschlagenen Tür hinaufstieg. Aus reiner Gewohnheit kniff ich mir in die Wangen und biss mir auf die Lippen, um mehr Farbe zu bekommen, und vergaß dabei ganz, dass mein Gesicht von der Hitze wahrscheinlich ohnehin schon gerötet war. Ich wollte, dass die de Cressacs meine Erscheinung angenehm fanden oder zumindest nicht abschreckend.
    Ich zog an der Schnur einer eisernen Glocke. Das Läuten hallte noch nach, als ein sehr junger, sehr großer Diener bereits öffnete.
    Â»Ich bin Miss Sophia Petheram«, stellte ich mich schüchtern vor. »Ich werde bei Familie de Cressac wohnen.«
    Â»Sehr wohl.« Der Diener öffnete die Tür weiter und bat mich mit einer ausholenden Geste einzutreten. »Sie werden erwartet, Miss.«
    Er sprach sehr förmlich, doch ich muss wohl ziemlich verängstigt ausgesehen haben, denn er schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln.
    In der hohen Eingangshalle, deren gewölbte Decke sich in der Dunkelheit verlor, funkelten bereits Kerzen und auf einem Tisch in der Mitte strahlte ein riesiger Tafelleuchter. Dem reinen, klaren Licht nach zu schließen war er mit Bienenwachskerzen bestückt. Gaslampen gab es an einem Ort so tief im Süden ja sicher noch nicht. Schwarzweißer Marmor führte zu der prachtvollen Treppe, breit und mit wunderschönem Geländer, die frei in der Luft zu hängen schien. Im Dämmerlicht wiegte mich die herrliche Illusionsmalerei an der Wand dahinter einen Moment lang in dem Glauben, die Treppe sei auch nur gemalt.
    Der Blick des Dieners ging über meine Schulter. »Mr Ling, der Butler, wird Sie zum Master bringen.«
    Ã„ußerlich war mir fast nichts anzusehen, doch ich zuckte zusammen, als sich von der Wand direkt hinter mir eine Gestalt löste.
    Â»Ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt«, hörte ich eine tiefe, ruhige Stimme.
    Mein Herz hämmerte immer noch. Oh doch, eindeutig erschreckt.
    Mr Ling war Chinese, der erste, den ich je gesehen hatte, runzlig wie eine Walnussschale und mit einem langen grauen Bart. Er trug eine schwarze Brokattunika mit hohem Kragen und einen Rock. Das musste ich meinen Geschwistern erzählen! Seine Augen blickten unwahrscheinlich müde. Er verbeugte sich. Ich schnippte meinen Schleier zurück und machte einen Knicks und es war mir völlig egal, dass man vor Bediensteten wahrscheinlich nicht knicksen sollte. Er war so unglaublich alt, und seine Augen …
    Â»Kommen Sie hier entlang, Miss Petheram«, forderte er mich in einwandfreiem Englisch auf. Er führte mich durch einen langen Flur, von dem Vorzimmer und Salons abgingen. Es war ein Kaleidoskop brillanter Üppigkeit – Blattgold und geprägtes Leder, bunte Wandteppiche und Bilder in kunstvollen Rahmen. Nur ich war fehl am Platz.
    Ich griff nach der Haarbrosche an meinem Hals. Meine Schwester Anne hatte braunes Haar von meinem Vater und kupferfarbenes von meiner Mutter in Herzform geflochten.
    Auf der Reise hatte ich mir stunden- und tagelang die Zeit damit vertrieben, im Kopf Kleider zu entwerfen. Es war eine meiner Schwächen, dass ich mich oft so in Gedanken verlor, dass ich darüber ganz die Gegenwart vergaß. In meiner Fantasie hatte ich M. de Cressac in einem Kleid aus smaragdgrüner Seide begrüßt. In den Rock waren schwarze Perlen eingestickt, die beim Gehen leise klimperten. Ich konnte es hören. Ich konnte es spüren – das Gewicht der Perlen. Ich schaute an mir hinunter. Überraschung! Immer noch hässliche schwarze Halbseide. Dass ich bei meiner ersten Begegnung mit meinem Vormund etwas so Dunkles, Düsteres tragen würde, dass es das Licht eines Zimmers schluckte, hatte ich mir nie vorgestellt.
    Als Mr Ling eine Doppeltür aufstieß und mich ankündigte, war mein Mund staubtrocken und ich umklammerte mit feuchten Händen mein Beuteltäschchen.
    Mein Patenonkel erhob sich von seinem Stuhl. Da standen wir und blickten uns an. In mir schien sich alles zu drehen. Die Person vor mir war der schönste
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