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Jodeln und Juwelen

Jodeln und Juwelen

Titel: Jodeln und Juwelen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Kapitel 1
     
     
    »Für
so etwas bin ich einfach zu alt.«
    Warum musste ihr das ausgerechnet jetzt
einfallen? Sie stand bereits auf dem Fenstersims, und aus dem Zimmer hinter ihr
quoll schwarzer Rauch, der ihr in Nase und Rachen drang, so dass ihr übel
wurde. Zwei Stockwerke unter ihr bildeten Feuerwehrmänner in schwarzen
Uniformen einen Kreis und hielten ein Sprungtuch für sie bereit. Sie konnte die
verschwitzten roten Gesichter unter den gelben Helmen sehen. Alle schauten mit
ernsten Mienen zu ihr hoch. Sie sah auch die Menschenmenge hinter der
Absperrung, Erwachsene mit vor Angst geballten Händen, halb-hysterische
Jugendliche, die »Springen! Springen!« kreischten.
    Emma sprang. Landete sicher und
wohlbehalten. Mitten im Sprungtuch. Federte hoch. Ließ sich nach hinten fallen.
Setzte sich auf und winkte der Menge zu. Die Zuschauer applaudierten. Das
Sprungtuch wurde vorsichtig auf den Boden heruntergelassen, dann half man ihr
beim Aufstehen. Emma schüttelte dem Einsatzleiter die Hand, rückte ihr
Tirolerhütchen zurecht, klopfte sich die olivgrünen Kniebundhosen ab, zog ihre
Jacke gerade, winkte ein letztes Mal und verschwand hinter den Löschfahrzeugen.
Die Feuerwehrmänner nahmen ihre Helme ab, drehten sie um und begannen mit dem
Einsammeln von milden Gaben. Sie sammelten nicht etwa für sich selbst, sondern
für Feuerwehrmann Bechleys Witwe.
    Es war wirklich nett von Mrs. Kelling,
sie so tatkräftig zu unterstützen. Aber auf Emma Kelling hatten sie bisher
immer zählen können, wenn Not am Mann gewesen war. Sie war es auch gewesen, die
das heutige Spektakel organisiert hatte, nachdem sie erfahren hatte, dass das
Geld aus der Versicherung und dem Hilfsfond für bedürftige Feuerwehrleute nicht
ausreichte, um den Lebensunterhalt einer verzweifelten Frau mit schlimmen
Krampfadern, drei kleinen Kindern, einer pflegebedürftigen Schwiegermutter und
einer Riesenhypothek zu sichern.
    Die Feuerwehrleute hatten ihre
Geschicklichkeit im Umgang mit Haken und Leiter bereits eindrucksvoll unter
Beweis gestellt. Sie hatten einen alten Hühnerstall in die Luft gejagt und
einen Miniwaldbrand gelegt, indem sie einen von der Parkverwaltung gestifteten
Reisighaufen und zwei ehemals elegante Alleebäume, die leider an der
Ulmenkrankheit dahinsiechten und ohnehin vernichtet worden wären, den Flammen
übergeben hatten.
    Die Piraten von Pleasaunce, die
normalerweise auf Operetten von Gilbert und Sullivan spezialisiert waren,
hatten ein Potpourri aus beliebten Oldies gesungen, unter anderem »Smoke gets
in your Eyes« und »I don’t want to set the World on Fire«. Hauptchanteuse
Jenicot Tippleton hatte einige Schmachtfetzen zum Besten gegeben und eine — zumindest
für ihre Maßstäbe — feurige Imitation von Rita Hayworths »Fire Down Below«
vorgeführt.
    Als Großes Finale hatten die Piraten
mehr oder weniger aus dem Stegreif ein Kurzmusical aufgeführt, das auf dem
Ohrwurm »The Fireman’s Bride« basierte. Mit Ausnahme von Emmas drei Enkeln
trugen alle rote Kleidung. Klein-Bed spielte einen Feuerwehr-Dalmatiner und war
entsprechend schwarzweiß getupft. Wally und Jem stellten das Vorder- bzw.
Hinterteil eines feurigen Rappen dar und waren vor einen antiken Schlauchwagen
gespannt, der einst ihrem verstorbenen Großvater gehört hatte. Beddoes Kelling
war zeitlebens ein begeistertes Mitglied der freiwilligen Feuerwehr gewesen.
Sein Helm hing immer noch in seinem ehemaligen Arbeitszimmer.
    Beddoes hatte vor vielen Jahren sein
eigenes Orchester vor allem deshalb gegründet, weil er auf keinen Fall mit
Tubaspielen aufhören wollte. Wie schon sein Vater vor ihm war auch er stolzes
Mitglied der Harvard Band gewesen. Sein Sohn und Namensträger Beddoes Kelling
III, der von seiner Familie und seinen Freunden immer noch Bed Junior genannt
wurde, hatte diese Tradition weitergeführt. Bed Junior hockte gerade oben auf
einem der Löschfahrzeuge und begleitete seine Mitmusiker mit enthusiastischem
Umtata. Sogar Beddoes Kelling IV nahm bereits Tubastunden. Als kleiner Junge
hatte er zwar von einer Karriere als Quarterback in einer American
Footballmannschaft geträumt, doch als echter Kelling wusste er, was man von ihm
erwartete, und fügte sich ergeben in sein Schicksal.
    Im Großen und Ganzen war es ein
wunderbarer Nachmittag gewesen. Jetzt war alles vorbei, nun kam nur noch das
Essen. Emma löste sich von einer Gruppe Jugendlicher, die lautstark nach einem
Autogramm auf ihrem Kaugummipapier verlangten, und eilte
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