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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold
Autoren: Jane Nickerson
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Ehrenhaftigkeit schlechthin, auch wenn es keine Madame de Cressac mehr im Haus gab.
    Das Tablett war beladen mit Zitronenschnitten, Krapfen, Marmeladenkuchen mit Karamellguss, Cremetörtchen und Käsekuchen. Ich nippte an der Limonade (klein geschnittene Minzeblättchen schwammen obenauf, sodass sie ein wenig nach Gras schmeckte, aber trotzdem gut war) und aß ein Cremetörtchen, wobei ich aufpasste, dass die Creme nicht überall herausquoll.
    Als mein Patenonkel sich nach dem Verlauf der Reise erkundigte, schluckte ich schnell. »Ihre Kutsche war wundervoll. Ich habe noch nie in einer gesessen, die so gut gefedert ist. Ich konnte mich in die Kissen zurücklehnen und ausruhen oder sogar lesen, ohne dass mir vom Schaukeln und Rütteln übel wurde. Und die ganzen blühenden Magnolien in der Stadt sind herrlich. So typisch südstaatlich.«
    Â»Ja, Chicataw in Mississippi ist fürwahr ›südstaatlich‹.«
    Â»Die Leute sind vor Staunen fast aus den Fenstern gefallen, als wir vorbeifuhren. Sie müssen Ihr Wappen an der Tür erkannt haben.«
    Â»Die Neugier frisst sie natürlich fast auf. Obwohl ich schon fünfundzwanzig Jahre hier wohne, bin ich immer noch der geheimnisvolle Fremde. Wir haben wenig in der Stadt zu tun.« Er sah, dass ich mir mit meinem Taschentuch die Stirn abtupfte. »Als ich hierher in den Süden kam, fand ich die Hitze anfangs erdrückend, doch inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.«
    Â»Ich gewöhne mich sicher auch daran«, erwiderte ich. »Sie hätten den merkwürdigen Kerl sehen sollen, der auf dem Weg nach Memphis mit mir in der Kutsche saß. Während der Fahrt habe ich mir alle möglichen Geschichten über ihn ausgedacht. Er trug einen weiten Mantel und einen Hut, den er bis über die Ohren gezogen hatte. Während wir anderen unsere Ärmel hochkrempelten und uns mit allem, das wir in die Hände bekamen, Luft zufächelten – mit Zeitungen und Taschentüchern und natürlich auch mit richtigen Fächern, wenn wir sie finden konnten – und alles auszogen, was der Anstand zuließ, knöpfte er lediglich den obersten Knopf an seinem Mantel auf. Zuerst wurde sein Hemdkragen schlaff, dann verrutschte seine Krawatte. Schließlich gab er es einfach auf, lehnte sich zurück und schlief und schnarchte dabei. Der Schweiß sammelte sich in seinen Ohren und eine Fliege krabbelte über seine Nase. Es war schrecklich, zusehen zu müssen, wie ein Mensch vor meinen Augen dahinschmolz.«
    Â»Das war sicher verstörend«, meinte mein Patenonkel. »Meine Güte, was hast du für gefährliche und strapaziöse Abenteuer hinter dir! Aber so reizend, wie du aussiehst, scheinst du sie unbeschadet überstanden zu haben.«
    Dann sprach er über sein Anwesen. Seine Stimme klang weich wie warme Schokolade und mit seinem leichten französischen Akzent wirkte er noch charmanter. »Das Haupthaus war früher einmal eine echte englische Abtei. Hier lebten im Mittelalter Mönche und Nonnen. Bist du enttäuscht, dass es kein neues Haus ist? Dass es so … gebraucht ist?«
    Â»Oh, nein! Ich liebe alte Häuser und über dieses kann ich einfach nur staunen. Wenn ich durch das alte Viertel von Boston ging, war ich immer ganz neidisch. Es gibt dort ein Haus, das aus der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts stammt und mich immer – fasziniert hat.« Ich presste die Lippen aufeinander, um nicht lang und breit davon zu erzählen. M. de Cressac hatte eine seltsame und widersprüchliche Wirkung auf mich. Ich war nie eine Plaudertasche gewesen, doch seine Art, mich fasziniert anzusehen, spornte mich an, immer weiterzureden. Das lag allerdings nicht daran, dass ich mich in seiner Gegenwart vollkommen gelöst fühlte. Im Gegenteil, es lag eine gewisse Spannung in der Luft und ich saß kerzengerade auf der Stuhlkante.
    Â»Bah! Boston!« Er tat die Stadt mit einer Handbewegung ab. »Kümmerliche zweihundert Jahre sind doch gar nichts. Aber es freut mich, dass du das Kloster bestaunenswert findest. Viele haben tatsächlich gestaunt, als ich es Stein für Stein hier herüberbringen und in dieser Umgebung wieder aufbauen ließ. Ich habe die Seitenflügel so planen und anbauen lassen, dass sie mit der alten Substanz verschmelzen.«
    Mrs Duckworth warf oft eine Bemerkung ein; ihr Gesicht war von Lachfalten ganz zerfurcht.
    Während ich ihre Fragen
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