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Sieh dich nicht um

Sieh dich nicht um

Titel: Sieh dich nicht um
Autoren: Mary Higgins Clark
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Krankenwagen holen würde, daß Isabelle sich keine Sorgen zu machen brauche –, aber sie brachte die Worte nicht über die Lippen. Es war zu spät. Das war nicht zu übersehen. Isabelle lag im Sterben.

    Später erschien diese Szene leicht abgewandelt in dem Alptraum, der sie mit zunehmender Häufigkeit heimsuchte. Der
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    Traum war immer derselbe: Sie kniete neben Isabelle u nd hörte die letzten Worte der Sterbenden. Isabelle sprach von dem Tagebuch und bat Lacey, die Seiten an sich zu nehmen. Dann legte sich eine Hand auf ihre Schulter, und als sie aufsah, stand vor ihr der Mörder mit eiskaltem, ernstem Blick. Er zielte mit der Pistole auf ihre Stirn und drückte ab.

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    1

    Es war Anfang September, die Woche nach dem Labor Day.
    Das unaufhörliche Klingeln der Telephone im Büro von Parker und Parker sagte Lacey, daß die Sommerflaute endlich vorbei war. Manhattans Immobilienmarkt war im letzten Monat ziemlich träge gewesen, doch jetzt tat sich wieder etwas.
    »Wurde auch Zeit«, sagte sie zu Rick Parker, der ihr gerade eine Tasse schwarzen Kaffee auf den Schreibtisch stellte. »Seit Juni habe ich keinen anständigen Abschluß mehr gemacht. Alle Interessenten hatten sich in die Hamptons oder nach Cape Cod abgesetzt, aber zum Glück kommen sie jetzt allmählich zurück.
    Ein Monat Urlaub ist zwar nicht schlecht, aber jetzt muß der Rubel wieder rollen.«
    Sie griff nach der Tasse. »Danke. Es ist nett, vom Juniorchef bedient zu werden.«
    »Gern geschehen. Du siehst großartig aus, Lacey.«
    Lacey versuchte, nicht auf Ricks Gesichtsausdruck zu achten.
    Sie hatte immer das Gefühl, daß er sie mit den Augen auszog.
    Rick war verwöhnt, sah gut aus und verfügte über einen künstlichen Charme, den er nach Gutdünken einschalten konnte.
    Lacey fühlte sich in seiner Gesellschaft äußerst unwohl. Sie bedauerte es sehr, daß sein Vater ihn aus der Filiale in der West Side hierher versetzt hatte. Sie wollte zwar ihren Job nicht gefährden, aber in letzter Zeit wurde es immer schwieriger, sich Rick vom Leibe zu halten.
    Als ihr Telephon klingelte, nahm sie erleichtert den Hörer ab.
    Gerettet! »Lacey Farrell«, meldete sie sich.
    »Miss Farrell, hier spricht Isabelle Waring. Wir haben uns kennengelernt, als Sie letztes Jahr in dem Haus, in dem ich wohne, eine Eigentumswohnung verkauft haben.«
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    Eine potentielle Kundin, dachte Lacey. Bestimmt wollte Mrs.
    Waring ihre Wohnung verkaufen.
    Lacey überlegte, woher sie Mrs. Waring kannte. Im Mai hatte sie zwei Wohnungen in der 70. Straße Ost verkauft. Doch sie hatte außer mit dem Hausverwalter mit niemandem gesprochen.
    Das zweite Haus, das in Frage kam, lag in der Nähe der Fifth Avenue. Die Wohnung hatte einer Familie Norstrom gehört, und Lacey erinnerte sich vage an eine attraktive Rothaarige in den Fünfzigern, die sie im Aufzug um ihre Visitenkarte gebeten hatte.
    »Die Wohnung von Norstroms?« fragte sie auf gut Glück.
    »Sind wir uns im Aufzug begegnet?«
    Mrs. Waring klang erfreut. »Genau! Ich möchte die Wohnung meiner Tochter verkaufen, und wenn es Ihnen paßt, würde ich mich freuen, wenn Sie die Angelegenheit für mich abwickeln.«
    »Es paßt mir sehr gut, Mrs. Waring.«
    Lacey vereinbarte einen Termin für den folgenden Vormittag und drehte sich zu Rick um. »Glück gehabt! 70. Straße Ost, Nummer drei. Ein lohnendes Objekt.«
    »Nummer drei auf der Siebzigsten Ost? Welche Wohnung?«
    fragte er rasch.
    »Zehn B. Kennst du sie etwa?«
    »Woher sollte ich?« antwortete er barsch. »Schließlich hat mein Vater in seiner unendlichen Weisheit mich fünf Jahre lang die West Side bearbeiten lassen.«
    Lacey hatte den Eindruck, daß Rick sich bemühte, freundlich zu sein, als er hinzufügte: »Hat sich angehört, als wärst du jemandem begegnet, dem du gefallen hast und der dir jetzt den Verkauf seiner Wohnung überträgt. Wie mein Großvater schon immer sagte, Lacey: Man muß in diesem Geschäft nur das Glück haben, daß die Leute sich an einen erinnern.«
    »Mag sein, obwohl ich es nicht unbedingt immer als Glück
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    bezeichnen würde«, entgegnete Lacey in der Hoffnung, durch ihre abweisende Reaktion das Gespräch beenden zu können.
    Warum schaffte es Rick nicht, sie zu behandeln wie jede andere Angestellte des Familienimperiums?
    Achselzuckend trollte er sich in sein Büro, dessen Fenster die Zweiundsechzigste Straße Ost überblickten. Von Laceys Fenstern aus konnte man die Madison Avenue sehen. Ihr machte es Spaß, das
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