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Sieh dich nicht um

Sieh dich nicht um

Titel: Sieh dich nicht um
Autoren: Mary Higgins Clark
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durch die Wohnung ihrer Tochter und versuchte, sie mit dem kritischen Blick einer Immobilienmaklerin zu sehen. Sie war froh, daß sie Lacey Farrells Visitenkarte behalten hatte. Jimmy, ihr Ex-Mann und Heathers Vater, hatte verlangt, daß sie die Wohnung verkaufte. Und fairerweise mußte man sagen, daß er ihr genug Zeit gelassen hatte.
    Als sie Lacey Farrell im Aufzug begegnet war, hatte sie die junge Frau auf Anhieb sympathisch gefunden. Sie erinnerte sie an Heather.
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    Zugegeben, Lacey sah nicht aus wie Heather, die kurze hellbraune Locken mit goldenen Strähnchen und braune Augen gehabt hatte. Sie war klein gewesen, nur knapp eins zweiundsechzig, mit weib lichen Rundungen. Die Familienzwergin hatte sie sich immer genannt. Lacey hingegen war hochgewachsen, schlank und hatte blaugrüne Augen und dunkles, langes Haar, das ihr bis zu den Schultern reichte. Doch in ihrem Lächeln und ihrer Art ähnelte sie Heather sehr.
    Isabelle sah sich um. Ihr war klar, daß Birkenpaneele und eine Eingangshalle aus glänzendem Marmor nicht jedermanns Geschmack waren. Heather hatte diese Details geliebt, aber man konnte sie leicht ändern. Andererseits waren die Küche und die Bäder, allesamt renoviert, ein gutes Verkaufsargument.
    Monatelang war Isabelle zwischen Cleveland und New York hin und her gefahren, hatte die fünf großen Wandschränke und die vielen Schubladen in der Wohnung geleert und sich mit Heathers Freunden getroffen. Nun mußte sie endlich einen Schlußstrich ziehen. Sie mußte aufhören, nach Gründen zu suchen, und ihr Leben weiterführen.
    Allerdings wurde sie den Gedanken nicht los, daß Heathers Tod kein Unfall gewesen war. Ihre Tochter wäre nie so leichtsinnig gewesen, mitten in der Nacht mit dem Auto loszufahren – und das noch dazu in einem Schneesturm. Doch der Gerichtsmediziner hatte nichts Verdächtiges gefunden. Auch Jimmy hatte offenbar keine Zweifel. Andernfalls hätte er, wie Isabelle genau wußte, ganz Manhattan auf den Kopf gestellt, um sich Klarheit zu verschaffen.
    Beim letzten ihrer seltenen gemeinsamen Mittagessen hatte er Isabelle wieder einmal zu überreden versucht, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Wahrscheinlich habe Heather in jener Nacht nicht schlafen könne n und sich Sorgen gemacht, weil der Wetterbericht Schnee angekündigt hatte. Schließlich mußte sie am nächsten Tag rechtzeitig zu den Proben zurück sein. Er lehnte die Möglichkeit, daß bei ihrem Tod nicht alles mit
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    rechten Dingen zugegangen sein könnte, rundheraus ab.
    Isabelle aber konnte sich nicht damit abfinden. Sie erzählte Jimmy von einem merkwürdigen Telephonat, das sie mit ihrer Tochter kurz vor deren Tod geführt hatte. »Jimmy, Heather war am Telephon ganz anders als sonst. Sie machte sich über irgend etwas Sorgen. Schreckliche Sorgen. Ich habe es ihrer Stimme angehört.«
    Das Mittagessen war zu einem abrupten Ende gekommen, als Jimmy der Geduldsfaden riß: »Isabelle, laß es endlich gut sein!
    Hör bitte auf damit! Es ist schon ohne dein Gerede schwer genug für mich. Ständig mußt du alles noch einmal durchkauen.
    Du verhörst sogar all ihre Freunde. Bitte, laß unsere Tochter in Frieden ruhen.«
    Als Isabelle an diese Worte dachte, schüttelte sie unwillkürlich den Kopf. Jimmy Landi hatte Heather über alles geliebt. Aber an zweiter Stelle kam bei ihm die Macht, überlegte sie bitter. Daran war ihre Ehe gescheitert. Sein berühmtes Restaurant, seine Investitionen und nun sein Casino-Hotel in Atlantic City. Für mich hat er nie Zeit gehabt. Vielleicht wäre es nicht zur Scheidung gekommen, wenn er sich schon vor Jahren mit einem Geschäftspartner zusammengetan hätte. Inzwischen teilte er sich die Arbeit mit Steve Abbott. Ihr fiel auf, daß sie durch die Räume gegangen war, ohne sie wahrzunehmen. Also blieb sie am Fenster stehen und sah auf die Fifth Avenue hinaus.
    Im September ist New York besonders schön, dachte sie bei sich. Sie beobachtete die Jogger auf den Pfaden im Central Park, die Kindermädchen mit ihren Schützlingen, die alten Leute, die sich auf Parkbänken sonnten. An solchen Tagen bin ich auch mit Heather im Kinderwagen ausgefahren, erinnerte sie sich. Es hat zehn Jahre gedauert, und ich habe drei Fehlgeburten durchgemacht, bis ich sie endlich bekam. Aber es hat sich gelohnt. Sie war ein ganz besonderes Baby. Ständ ig blieben Leute stehen, um sie anzusehen und zu bewundern. Und natürlich wußte sie genau, wie sie wirkte. Sie setzte sich auf und
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    betrachtete ihre
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