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Sieh dich nicht um

Sieh dich nicht um

Titel: Sieh dich nicht um
Autoren: Mary Higgins Clark
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Verkehrschaos, die Touristenhorden und die gutbetuchte Schickeria zu beobachten, die die Designerboutiquen frequentierte.
    »Einige von uns sind in New York geboren«, pflegte sie den zuweilen verängstigten Ehefrauen der Manager zu erklären, die nach Manhattan versetzt wurden. »Andere ziehen nur ungern hierher, doch ehe sie sich's versehen, stellen sie fest, daß New York trotz aller Probleme die Stadt mit der höchsten Lebensqualität ist.«
    Wenn jemand danach fragte, antwortete sie: »Ich bin in Manhattan aufgewachsen und habe – abgesehen von meiner Zeit am College – immer hier gewohnt. New York ist meine Stadt, mein Zuhause.«
    Jack Farrell, ihr Vater, hatte genauso empfunden. Schon von frühester Kindheit an hatte sie mit ihm die Stadt erkundet. »Wir beide sind Kumpel, Lace«, pflegte er zu sagen. »Du bist eine Stadtpflanze wie ich. Deine liebe Mutter würde ja so gern wie alle anderen in eine der Vorstädte flüchten. Es ist ihr hoch anzurechnen, daß sie es hier aushält, denn da draußen würde ich eingehen wie eine Primel.«
    Lacey hatte nicht nur Jacks Liebe zu New York geerbt, sondern auch sein irisches Aussehen: helle Haut, blaugrüne Augen und dunkelbraunes Haar. Ihre Schwester Kit wirkte eher englisch wie ihre Mutter: porzellanblaue Augen und Haare so blond wie Winterweizen.
    Jack Farrell war Musiker gewesen und hatte meistens in
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    Theaterorchestern gespielt. Manchmal war er auch in Clubs aufgetreten oder hatte Konzerte gegeben. Als Kind hatte Lacey die Lieder jedes Broadway-Musicals mitsingen können. Den plötzlichen Tod ihres Vaters, kurz nach ihrem Abschluß am College, hatte sie noch immer nicht verwunden, und sie fragte sich, ob sie wohl je darüber hinwegkommen würde. Wenn sie durchs Theaterviertel schlenderte, erwartete sie manchmal sogar fast, ihm auf der Straße zu begegnen.
    »Dein Vater hatte recht. Ich werde nicht in der Stadt bleiben«, hatte ihre Mutter nach der Beerdigung wehmütig gesagt. Sie war Kinderkrankenschwester und hatte sich eine Eigentumswohnung in New Jersey gekauft, um in der Nähe von Laceys Schwester Kit und deren Familie zu sein. Inzwischen arbeitete sie dort in einem Krankenhaus.
    Die frischgebackene College-Absolventin Lacey hatte eine kleine Wohnung in der East End Avenue und eine Stelle bei der Immobilienfirma Parker und Parker gefunden. Heute, acht Jahre später, gehörte sie zu den erfolgreichsten Maklern des Unternehmens.
    Vor sich hinsummend, griff sie nach den Unterlagen zu dem Haus 70. Straße Ost, Nr. 3, und fing an zu lesen. Ich habe eine Maisonettewohnung im ersten Stock verkauft, fiel ihr ein.
    Gutgeschnittene Zimmer, hohe Decken, die Küche mußte modernisiert werden. Jetzt brauche ich nur noch Informationen über Mrs. Warings Wohnung.
    Wenn möglich, versuchte Lacey, im voraus etwas über das angebotene Objekt zu erfahren. Dazu war es hilfreich, die Leute zu kennen, die in den verschiedenen von Parker und Parker betreuten Häusern arbeiteten. Glücklicherweise hatte sie sich mit Tim Powers, dem Hausmeister des betreffenden Gebäudes, ange freundet. Also rief sie ihn an und hörte mehr als zwanzig Minuten zu, während er in allen Einzelheiten seinen Sommerurlaub schilderte. Leider hatte sie vergessen, was für ein Schwätzer Tim war. Es dauerte eine Weile, bis sie das Gespräch
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    auf Mrs. Warings Wohnung bringen konnte.
    Tim erzählte, daß Isabelle Waring die Mutter von Heather Landi war, einer jungen Sängerin und Schauspielerin, die sich gerade einen Namen in der Theaterszene gemacht hatte. Dann aber war Heather, Tochter des prominenten Restaurantbesitzers Jimmy Landi, Anfang letzten Winters bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ihr Wagen war auf dem Heimweg von einem Skiwochenende in Vermont eine Böschung hinuntergestürzt.
    Die Wohnung hatte Heather gehört, und nun wollte die Mutter sie offenbar verkaufen.
    »Mrs. Waring glaubt nicht, daß Heathers Tod ein Unfall war«, sagte Tim.
    Als Lacey ihn endlich losgeworden war, saß sie eine Weile da und überlegte. Sie hatte Heather Landi im vergangenen Jahr in einem erfolgreichen Off-Broadway-Musical gesehen. Sie war ihr sogar besonders aufgefallen.
    Heather hatte das Zeug zum Star gehabt, dachte Lacey: Schönheit, Ausstrahlung und einen glockenreinen Sopran. »Eine Traumfrau«, hätte Dad gesagt. Kein Wunder, daß ihre Mutter ihren Tod nicht wahrhaben will.
    Lacey erschauderte und stand auf, um die Klimaanlage herunterzuschalten.

    Am Dienstag morgen schlenderte Isabelle Waring
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